„Die Kuhglocken waren ein ständiger Begleiter“

Stimming House Hamburg

Für die Produktion seines neuen Albums verzog sich Hamburgs House-Aushängeschild Stimming in eine Berghütte. Am 3. Juni spielt er im Gruenspan – später auf dem Melt und dem Dockville Festival

SZENE HAMBURG: Ursprünglich kommst du aus Hessen, lebst seit Langem in Hamburg. Was hat dich zum Produzieren in die Dolomiten gezogen?

Stimming: So sehr ich Hamburg liebe, so gut diese Stadt auch zu mir war und ist – das Umland kommt mir, als an saftige Hügeligkeit gewöhntem Hessen, immer noch unglaublich langweilig und reizunterflutet vor. Tatsächlich habe ich 2015 mit DJ Phono eine Ausstellung im Hamburger Kunstverein angeschaut, in der es unter anderem um den Unabomber ging – einen Terroristen, der in den Bergen Montanas seinen Verstand verloren hat und Briefbomben verschickte. In der Ausstellung gab es auch ein originalgroßes Modell seiner Hütte und als ich da mein Equipment hineinfantasiert habe, wusste ich – das ist der Plan. Nur, dass er konstruktiv war und ich meinen Verstand eben nicht verloren habe (obwohl ich jetzt eine Ahnung habe, wie so etwas passieren kann). Dass es dann so eine wunderschöne Hütte in den Alpen wurde, war mehr Glück als Verstand.

War die Einsamkeit ein Problem?

Nicht, wenn das Wetter schön war. Da die Hütte an der Baumgrenze lag, war ich bei Schlechtwetter direkt in den Wolken und fühlte mich komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Zur Halbzeit war es sehr schwierig, da fiel mir auf, wie sehr ich eben doch Stadtmensch bin. Daraufhin bin ich nach Bozen gefahren und hab mir ein Parfum gekauft – danach ging es komischerweise wieder …

Du arbeitest häufiger mit „Field Recording“. Die Kuhglocken auf dem Album sind nicht zu überhören. Welche weiteren Beispiele finden sich für von dir aufgezeichnete Klänge?

Ich habe auch ein Gewitter (Titel: „Trains Of Hope“) oder den Wind, wie er durch die Hütte zieht, aufgenommen (Titel: „Saibot“). Die Kuhglocken waren einfach ein ständiger Begleiter. Jeder, der schon einmal etwas länger in den Alpen war, kennt diesen Klang. Daher war das nahe liegend.

Stimming Hamburg
Stimming mit einem Soundgewächs

Hast du für das aktuelle Album auch etwas aus Hamburg aufgenommen?

Das Stück „Parking Lot“ habe ich in einem der Parkhäuser in der City Nord aufgenommen. Im Mexikoring unter dem Fitnessstudio gibt es eine Parkhausetage, die zum Teil an der Decke schallgedämmt ist – das eröffnete mir spannende Möglichkeiten zum Sounddesign. Wenn man ganz genau hinhört, hört man ein paar Fitzel Musik aus dem darüber liegenden Fitnessstudio.

Für die Produktion seines neuen Albums verzog sich Hamburgs House-Aushängeschild Stimming in eine Berghütte. Am 3. Juni spielt er im Gruenspan

Komischerweise ist die „Dance-Szene“ weltweit sehr ähnlich. Es heißt ja immer, Musik wäre eine universale Sprache – im „Bummbummbumm“ stimmt das. Dieses einfachste musikalische Prinzip versteht wirklich jeder. Um jetzt aber nicht von Hamburg abzulenken – es stimmt schon, dass das Publikum hier tendenziell zurückhaltend ist. Wenn aber die Stimmung (nein, das sollte kein Wortspiel sein) gut ist, kann es hier besonders euphorisch werden. Ich finde Hamburg ist die erste echte nordeuropäische Stadt, und zwar vor allem von der Mentalität.

Du hast Mitte Mai ein Schaufensterkonzert bei Michelle Records gegeben. Dort treten vor allem „klassische“ Bands auf. Wie passt deine Musik zum Laden bzw. dem Konzept oder siehst du hier gar keine Diskrepanz?

Da ich immer live spiele, also Maschinen mit dabeihabe, nur Kompositionen von mir spiele und eben nicht wie ein DJ aus dem gesamten Fundus aller Techno- und House-Produktionen schöpfen kann, bin ich so etwas wie eine Ein-Mann-Band. Das passt schon.

Die Festivalsaison in Deutschland startet gerade. Wo kann man dich im Sommer unter freiem Himmel erleben?

Ich werde auf dem Melt und dem Dockville Festival spielen – um jetzt mal die relevantesten zu nennen.

Am 3. Juni präsentierst du dein Album bei Broken Forms im Gruenspan. Macht es für dich einen Unterschied, ob du „zu Hause“ spielst?

Ich bin aufgeregter. Aber da ich mit dem hochgeschätzten Kollegen Martin Gretschmann aka Acid Pauli den Abend gemeinsam gestalte, weiß ich, es wird alles gut.

Interview: Ole Masch
Foto: Diynamic

Gruenspan
Große Freiheit 58 (St. Pauli)
3.6., 24 Uhr
Ticket: 12 Euro zzgl. Gebühren

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