Frauen an die „Macht“

Karen Duve Hamburg

Karen Duves neuer Roman spielt in Hamburg im Jahre 2031 – wenn Frauen herrschen, Pillen jung halten und die Welt untergeht

SZENE HAMBURG: In Ihrem neuen Roman stecken sehr viele große Themen: Die Folgen des Klimawandels, Geschlechterkampf, Jugendwahn und neue Technologien. Haben Sie überhaupt noch Stoff für weitere Bücher?

Karen Duve (lacht): Ich leide eher an zu vielen Ideen. Und wenn ich mich nicht entscheiden kann, welche das nächste Buch bestimmen soll, pansche ich eben gleich vier zusammen.

„Macht“ ist ein düsteres Zukunftsszenario, das viele aktuelle Probleme aufgreift. Kann man von einem prophetischen Roman sprechen, wie es auf dem Cover steht?

Das wird sich erst herausstellen, wenn es so weit ist. Aber natürlich kommt es knüppeldick. Um das zu wissen, braucht es nicht besonders viel Fantasie. Ich habe ja auch nicht sehr weit in die Zukunft geschaut, sondern nur bis zu dem Punkt, an dem die Menschheit allmählich begreift, dass es jetzt nicht mehr lange dauern wird, bis alles den Bach runtergeht. Vielleicht kommt es ja doch noch anders und wir technologisieren uns da wieder heraus. Glaube ich aber nicht.

Wir haben in der Redaktion viel über das Buch gesprochen. 
Uns allen ging es nach dem Lesen ähnlich: Einerseits konnten wir das Buch nicht aus der Hand legen, andererseits waren wir leicht erschöpft. War es Ihre Absicht, den Leser zu überfordern?

Natürlich nicht, Lesen soll schließlich ein Vergnügen sein. Auch wenn das Buch ganz und gar hoffnungslos ist. Es ist nun einmal kein optimistischer Aktivistenroman, der so tut, als wären Veränderungen noch möglich. Bei „Anständig essen“ habe ich das noch durchgezogen, diese aufgesetzt positive Haltung: Eigentlich wollt Ihr doch gar keine Tiere quälen. Eigentlich seid Ihr doch gute Menschen. Wenn wir uns nur richtig Mühe geben, schaffen wir das schon. Auch wenn ich es längst besser wusste. Auf Dauer ist es aber unwahrscheinlich schwer, so viel Selbstverleugnung zu betreiben.

Sie haben sich wiederholt als Feministin bezeichnet und sich für die Frauenquote ausgesprochen. Herrschen Frauen besser?

Einen Versuch wäre es doch einmal wert. Zumindest setzen Frauen sich nicht so leicht über ethische Grenzen hinweg.

Der Roman überzeugt aber nicht gerade, dass Frauen die Welt retten könnten.

Warum denn nicht?

Karen Duve MachtNa ja, Frauen haben die Macht und die Welt geht unter.

Doch nur, weil man die Frauen erst ans Steuer gelassen hat, als sowieso schon alles zu spät war.

Kommen wir zu den Männern. Über deutsche Feuilletonisten haben Sie mal geschrieben: „Wenn Frauen plötzlich Spitzenpositionen einnehmen, sind das Entwicklungen, die Männer gar nicht wollen. Selbst dann nicht, wenn sie sich jahrzehntelang dafür ausgesprochen haben.“ Nun ist Ihre Hauptfigur ein Mann, der Frauen an die Macht verholfen hat. Gleichzeitig sperrt er seine Frau im Keller ein. Muss man Männern grundsätzlich misstrauen, selbst wenn sie sich für Frauen einsetzen?

Tja – Theorie und Praxis. Es ist leichter sich für Gleichberechtigung auszusprechen, als sie auszuhalten. Außerdem kann es sich niemand, der eine gewisse Position bekleidet, heutzutage noch erlauben, öffentlich zu bekennen, dass er Frauen für Menschen zweiter Klasse hält. Männer haben ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung, nach Bedeutung. Gern auch auf Kosten anderer. Jahrhundertelang konnten bedeutungslose Männer sich damit trösten, allein deshalb etwas Besseres, etwas Stärkeres und Überlegenes zu sein, weil sie Männer waren. Das muss man sich mal vorstellen, diesen Wahnsinn, dass sämtliche Gesellschaften die Hälfte ihres Potentials kaltgestellt haben, also freiwillig auf die Hälfte ihrer herausragenden Talente, auf sämtliche Ingenieurinnen, Forscherinnen und Malerinnen verzichtet haben – bloß um das wackelige Selbstwertgefühl der Männer zu schonen.

Die Hauptfigur ist ein Mann, der in einer feministischen Gesellschaft zu der benachteiligten Gruppe gehört – wie viele Frauen heutzutage.

Die Hauptperson ist überhaupt nicht benachteiligt. Jedenfalls nicht in der Realität. Die Frauen im Roman leiten nicht einmal die Hälfte der Ministerien. Sebastian selber sieht das allerdings so: Für ihn ist die Gesellschafft durch und durch feminisiert.

Sie haben in einem Interview verraten, dass in ihren Romanen viel Autobiografisches drinsteckt, wenn auch verfälscht und dramatisiert. Gilt das auch für „Macht“?

Natürlich. Zum Beispiel hänge auch ich auf ungesunde Weise an der Vergangenheit und sammle Reliquien meiner Jugend. Wie meine Hauptfigur. Und ich bin in einem Hamburger Vorort aufgewachsen. Allerdings halte ich niemanden in meinem Keller gefangen.

Sie wohnen schon lange nicht mehr in Hamburg. Warum haben Sie das ganze Elend ausgerechnet in dieser Stadt spielen lassen?

Weil ich mich da immer noch ziemlich gut auskenne. Das merkt man einem Roman doch an, ob jemand die Gegend kennt, in der die Handlung spielt, oder ob er den Ort mit einem Stadtplan in der Hand entwirft. Außerdem liebe und vermisse ich Hamburg und da ich jedes Mal mehr oder weniger in dem Text lebe, an dem ich gerade schreibe, suche ich mir natürlich Orte, Personen und Situationen aus, die mich interessieren.

Interview: Natalia Sadovnik
Foto: Kerstin Ahlrichs

Karen Duve: „Macht“, Galiani Berlin, 416 Seiten, 21,99 Euro > kaufen

Lesung: 16.2., 19.30 Uhr, Literaturhaus (ausverkauft)

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