Hallo Schaltzentrale! Das Kraftwerk Bille

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Freie Räume für nachbarschaftliche Kulturproduktionen sind rar in Hamburg. Aus diesem Grund hat das Kollektiv um die Hallo-Festspiele die Schaltzentrale ins Leben gerufen

In Hammerbrook, direkt an der Bille, steht Hamburgs ältestes Kohlekraftwerk, Strom wird allerdings schon lange nicht mehr produziert. Ursprünglich sollte hier eine Oldtimer-Erlebniswelt einziehen, doch nach Insolvenzanmeldung der zukünftigen Betreiber lag das Gelände erneut brach. Als Nichtanwohner würde man sich wahrscheinlich nicht in diese hinterste Ecke an der Bille verirren. Doch es lohnt sich.

Der Verein „Viele Grüße von e.V.“ mit kulturbegeisterten Machern und Macherinnen hat sich im stillgelegten Kraftwerk niedergelassen, um es mit großen und kleinen Festspielen und der neu eröffneten Schaltzentrale wiederzubeleben.

Dass sie gerade hier gelandet sind, war Zufall. Auf Fahrradttouren, Wanderungen und Entdeckungsreisen haben die Organisatoren das Kraftwerk für sich entdeckt. „Das Besondere an diesem Ort war und ist, dass er viel Fläche bietet und mit einem Interesse an Kultur entwickelt wird. Das ist rar in Hamburg“, sagt Dorothee Halbrock (Foto rechts), eine der Macherinnen. Angefangen hat es 2015 mit den Hallo-Festspielen, die zuerst nur am und mittlerweile auch im Kraftwerk stattfinden. Einmal im Jahr geht es darum, mit gespendeten und gesammelten Materialien zusammen vor Ort etwas aufzubauen, ein großes Fest zu veranstalten und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Der Verein sieht es als eine Art Pionierprojekt, was in den leeren Hallen möglich ist.

Die neu eröffnete Schaltzentrale in dem alten Verwaltungsggebäude ist eine Art Nachbarschaftsstammtisch, Begegnungsraum und Bindeglied in einer Umgebung, die auf den ersten Blick weniger für kulturelles Leben als für Industrie und Bürotürme steht.

Julia Lerch-Zajączkowska (Foto links), ebenfalls Mitglied des Kollektivs: „Es passiert nicht so oft, dass Leute einfach so nach Hammerbrook fahren. Aber es lohnt sich immer mehr, auch mal hier hinzuschauen.“ Die verwinkelten Räume der Schaltzentrale, die allesamt während der Hallo-Festspiele entstanden sind, sind gefüllt mit selbstgebauten Tischen und Theken. In Zukunft soll hier viel passieren.

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Da entsteht etwas im Osten

Dieses Potential sieht auch die Stadt Hamburg. Mit dem umfassenden Stadtentwicklungsprogramm „Stromaufwärts an Elbe und Bille“ will sie bis 2025 in Hamburg-Ost Raum zum Wohnen und für urbane Produktion entwickeln. Hammerbrook soll durch die Nähe zur Innenstadt ein Ort für Stadtpioniere werden – mit 20.000 neuen Wohnungen und neuen Wegeverbindungen.

Alles soll grüner werden und besser. Die Ziele klingen groß. Was sich die Behörde vorstellt, birgt Chancen, ist aber nicht in erster Linie Vision von allen.

SchaltzentraleBeispielsweise soll am Billebogen eine Gewerbemeile entstehen. Genau dort ist seit über 100 Jahren auch ein traditionsreicher Ruderverein, der diesen Ideen weichen müsste. Und deswegen sei es wichtig, dass man sich auch die kleinen Geschichten anhöre, sagt Julia Lerch-Zajączkowska. Die Schaltzentrale möchte diesem Groß-Denken entgegenwirken – einerseits in den Stadtteil hineinhorchen, Akteure versammeln und so Ideen und Bedürfnisse an die Behörde, die diese Masterpläne erstellt, weitergeben. Sie wäre somit Bindeglied zwischen Stadtteil und den großen Visionen der Stadt. Andererseits, so die Organisatorinnen: „Die Schaltzentrale soll ein langfristiger Begegnungsraum werden, mit einem Café, mit einer Nachbarschaftskantine, mit Werkstätten. Wir wollen uns weiter professionalisieren, ohne dass es hier geleckt sein muss.“

Zumindest für die nächsten eineinhalb Jahre. Denn es gibt schon Pläne des Eigentümers das einstöckige Verwaltungsgebäude durch ein sechsstöckiges Haus zu ersetzen. Das hält das Kollektiv allerdings nicht davon ab, diesen Ort weiter mitzugestalten. Dorothee Halbrock: „Ein Abriss wäre natürlich traurig, da man sich auch emotional an die Räume bindet, aber das begrenzt uns jetzt nicht in unserer Entwicklung.“

Und wenn in eineinhalb Jahren hier kein totes Eck mehr sei und der Ort an Relevanz für die Entwicklung des Kraftwerks gewonnen habe, sei man nicht mehr so schnell wegzudiskutieren. Deswegen darf jeder mitmachen – zum Beispiel beim Hoffest im April oder bei den Festspielen im Herbst, die dieses Mal unter dem Motto „Auditive Raumforschung“ stehen. / Text & Fotos Melina Mork 

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