Sein Laden scheint wie eine Art Schutzraum. In zwar recht sanften, doch auch düsteren Brauntönen gehalten, ist die vollgestopfte Werkstatt eine Art Höhle, in die sich Rahmenbildner Jonathan Zimmermann (Bruno Ganz) wie ein verletztes Tier zurückzieht. Hier ist er vergleichsweise sicher, fast geborgen, für kurze Zeit dem Strudel aus Krankheit und kriminellen Machenschaften entflohen, auf die er sich eingelassen hat, um vor seinem (vermeintlich?) kurz bevorstehenden Tod noch etwas Geld für seine Frau und seinen Sohn zusammenzuraffen. Kunden erscheinen fast wie Eindringlinge. Störend, übergriffig.
Den Laden in der Lange Straße 22 im Pinnasberg-Viertel, einer der Schauplätze in Wim Wenders‘ vielschichtigem Kult-Krimi „Der amerikanische Freund“, gibt es immer noch. In Wirklichkeit war er 1977 wohl ein Hutladen. Heute ist er ein Schmuckatelier – und das exakte Gegenteil der Filmstätte: hell, freundlich und einladend, mit herrlichen Ringen und Ketten in sorgsam arrangierten Vitrinen. Der Laden in der Lange Straße zeigt im Kleinen, welche Veränderung das südliche St. Pauli rund um den Fischmarkt in den vergangenen 40 Jahren erlebt hat. Denn was heute ein Touristenmagnet ist, sah 1977 noch ganz anders aus. Wie, das zeigt „Der amerikanische Freund“. Große Teile des Films spielen auf St. Pauli – Regisseur Wim Wenders hat die Handlung, die auf Patricia Highsmiths Kriminalroman „Ripley’s Game“ basiert, aus Fontainebleau nach Hamburg verlegt.
Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete „amerikanische Freund“ ist mehr als nur atemraubender Krimi. Er ist auch Gesellschaftskritik, ein schwarzmagisches, dramatisches, leicht homoerotisch angehauchtes Zeitdokument, in dem die geschundene Silhouetten des südlichen St. Pauli wie eine Kulisse wirkt. Am 9. August wird der Film unweit seines Drehorts gezeigt: Der Eintritt für die Vorstellung des Freiluftkinos auf dem Rathausmarkt ist frei!
/ MAS
Freiluftkino auf dem Rathausmarkt
9.8.18, 21.30 Uhr