Wanda – „Der Kontrollverlust ist mir sehr recht“

Wanda-Wolfgang-Seehofer

Die Rockgruppe aus Wien spielte sich mit Liedern über kaputte Liebe, Alkohol und Tod in die ganz großen Hallen. Sänger Marco Michael Wanda über Gefühle vor der Masse und Bühnenmomente, die nicht mehr zu beeinflussen sind.

SZENE HAMBURG: Wer zu Wanda kommt …
Marco Michael Wanda: … der kommt! (lacht)

… zum Exzess – zumindest ist das ein weitverbreitetes Bild unter Konzertgängern. Kannst du damit etwas anfangen?
Jeder darf es erleben, wie er mag. Aber es soll um Gottes Willen kein Druck bei den Besuchern entstehen, sich irgendwann in Trance wiegen und durchdrehen zu müssen. Ein Konzert von uns soll erst mal nur ein Anreiz sein, ein Happening. Wir sind da, die Besucher sind da, und wir schauen dann gemeinsam, was passiert.

Und umgekehrt: Welche Gedanken habt ihr beim Bühnengang?
Ich gehe auf die Bühne, weil ich nichts anderes kann. Und ich gehe jedes Mal, als wäre es das letzte Konzert.

Auf der Bühne gibt es viele verschiedene Momente, auch einsame.

Ist es auch jedes Mal ein ähnliches Gefühl dort oben?
Es ist immer anders. Auf der Bühne gibt es viele verschiedene Momente, auch einsame. Vor allem aber gibt es welche, in denen man in ein Energiefeld kommt mit Menschen, die einem vorher völlig fremd waren. Das hat dann etwas sehr Nahes und Wohliges.

Du sprachst von einsamen Momenten. Kannst du die beschreiben?
Man muss sich das Ganze vorstellen wie eine heftige Droge. Es spielen sich Sequenzen ab, ganz von alleine. Auf der Bühne kann man nichts mehr bewusst entscheiden. Man wird von Dingen irgendwann irgendwo hingezogen, die man gar nicht beschreiben kann.

Also ein Kontrollverlust?
Ein Kontrollverlust, der mir sehr recht ist.

Routine und Sicherheit setzen nicht ein, nach so vielen gespielten Konzerten?
Bis jetzt habe ich das noch nicht bei mir beobachtet. Sicher auch deshalb nicht, weil ich Konzerten immer noch mit großem Respekt und Demut begegne. Ich erlebe ja gerade einen unglaublichen Existenzialismus, der einfach geil ist.

Die Masse vor der Bühne will dich kennenlernen, du kennst die Masse schon etwas. Kennst du auch eine Sucht nach der Masse?
Zumindest mag ich die Situation, vor vielen Menschen zu stehen, sehr gerne. Ich finde, dass in der Anonymität eine tiefe Vertrautheit steckt.

Das musst du erklären.
Man muss sich mal anschauen, wie wir leben: Wir gehen eigentlich ständig aneinander vorbei und begegnen uns kaum. Der Begriff „Masse“ ist allgemein auch eher negativ konnotiert und mit Angstgefühlen behaftet. Ein Konzert empfinde ich da geradezu als erlösend. Ich muss sogar sagen, dass ich manchmal lieber im Publikum wäre als auf der Bühne. Es zieht mich zu diesen Menschen.

Erfolg ist so eine blutleere Sache, eigentlich gibt es ihn gar nicht.

Gibt es denn etwas, was der Band-Erfolg mit sich bringt, und wovon du gar nicht mehr genug bekommen kannst?
Erfolg ist so eine blutleere Sache, eigentlich gibt es ihn gar nicht. Es gibt nur Musik und Menschen, zumindest nehme ich nichts anderes wahr. Ich habe also ein Nicht-Verhältnis zum Erfolg. In ruhigen Momenten habe ich schon mal versucht zu spüren, ob das alles etwas mit mir macht, aber es macht erstaunlich wenig mit mir.

Und kannst du der ständig gesteigerten Popularität an sich nur Positives abgewinnen? Oder würdest du auch gerne mal wieder durch Wien gehen können, ohne Selfies machen zu müssen?
Das ist mir schon noch möglich. Die Menschen sind ja auch überfüttert mit Inhalten. Natürlich, wenn eine Platte herauskommt, stehe ich in der Öffentlichkeit und werde sehr oft erkannt. Und wenn es dann ein bisschen ruhiger wird, werde ich nur noch angeschaut, und man scheint zu denken: „Das ist er nicht, das kann er nicht sein!“ Das alles läuft in Wellen. Ich habe das Gefühl, sechs Monate ist man wer, und sechs Monate ist man niemand.

Würde es für dich die Schönheit der Kunst reduzieren, wenn weniger Menschen zu euren Konzerten kämen?
Hmm (überlegt lange). Keine Ahnung, bisher habe ich das noch nicht erlebt, es werden eigentlich immer mehr. Aber auch, wenn ich es noch nicht in der Karriere erfahren habe, habe ich doch schon Auf- und Abwärtsbewegungen im Leben erleiden müssen. Ich bin mittlerweile schon etwas geschult, mit Niederlagen umzugehen. Auf jeden Fall habe ich vor, mich in jeder noch kommenden Lebensniederlage tapfer zu schlagen.

Du hast mal gesagt, dass du schon als Zwölfjähriger gewusst hättest, dass du ein Star wirst. Hast du aus heutiger Star-Sicht auch ein Bild von deinem 50-jährigen Ich?
Ich glaube, dass man als Kind ein sehr festes Bild von dem hat, der man mal sein wird. Zu der Zeit ist ja auch noch alles möglich. Jetzt werde ich mich nicht mehr prognostisch oder mystisch puschen. Ohne den Vorteil der jugendlichen Hybris maße ich mir nicht an, in die Zukunft zu schauen. Ich hoffe einfach, dass ich lange genug da bin, um dieses komische Ding in meinem Hirn zu besiegen. Ich möchte schon in Klarheit abtreten, und das ist noch lange nicht der Fall. (lacht)

Interview: Erik Brandt-Höge

Sporthalle
24.3.18, 20 Uhr

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Februar-Ausgabe SZENE Hamburg

 Dieser Text ist ein Auszug aus SZENE HAMBURG, März 2018. Das Magazin ist seit dem 24. Februar 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!
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