Bedrohte Räume #20: Zardoz Records

Zardoz Records. Foto: Natalie Perea
Zardoz Records. Foto: Natalie Perea

Miethai frisst Plattenlegende!

Die Finger zittern, meine Pumpe schlägt dreizehn und wieder heißt es: Wir verlieren unsere Besten! Denn während ich hier in meiner Kajüte auf dem Hotelboot in Groningen diese Zeilen tippe, findet in Hamburg eine echte Tragödie statt. Sie kennen doch sicher das Schulterblatt in Hamburg. Dort, wo sich ein trister Geldwäscheladen an den nächsten reiht. Wo Ketten wie H&M, Weekdays und Vodafone die kulturelle Vielfalt wie die Termiten vertilgen und Miethaie, Hedgefondsbetreiber und andere Kanaillen Mieter brutal auf die Straße setzen. Hier rasen die Mieten seit Jahren erbarmungslos gen Orbit, holländische Spekulanten fressen die so wichtige Diversität und freuen sich über die Geldwäscher, die ihnen offenbar jeden Mietpreis bereitwillig zahlen. Genau. Sie haben es schon vernommen, neuerdings kann sich nicht mal mehr die Hamburger Stadtentwicklungsgesellschaft STEG die horrende Miete im ehemaligen Montblanc Haus auf dem Schulterblatt leisten. Sie zieht auf und davon.

Doch jetzt hat es einen alteingesessenen Laden erwischt, der für die gesamte Infrastruktur im Schanzenviertel und auf St. Pauli eine bedeutende, weil lebenserhaltende Rolle für alle Hamburger Plattenhändler spielt: den Fachhandel für Tonträger jeder Art – Zardoz Records! Seit über 30 Jahren zählt Zardoz Records zu den führenden Hamburger Platten-Vollsortimentern, der alles anbietet: jede musikalische Richtung von gängigem Mainstream bis zu total einmalig. Das macht sonst niemand mehr in dieser Breite. Hier könnt ihr hingehen, wenn ihr eine Elton-John-Platte für Onkel Gerhard kaufen wollt oder aber aktuellste Neuerscheinungen benötigt. Schallplatten, CDs, DVDs oder ähnliche Träger: Hier kriegt ihr quer durch alle Genres einfach alles – ob Ambient-Gebimmel, Sound-tracks oder Obskures. Doch die Hedgefondsgangster setzen den Plattenladen nun zum Sommer 2018 mit einem blutigen Hieb vor die Tür.

Einen so bedeutenden Laden wie Zardoz? Seid ihr vollkommen irre geworden, ihr Kakerlaken? Zardoz Records ist einer der letzten 20 Plattenläden, die gemeinsam eine Struktur aufgebaut haben, die ihnen das Überleben sichert, gerade weil sie alle in 15 Minuten Gehweite erreichbar sind. Aus aller Welt kommen Kunden nach Hamburg, um hier in Laufweite Vinyl-Spezialitäten, Obskures, Berühmtes und Ersehntes einzukaufen. Die Plattenkäufer wissen, hier kann ich durch die Regale ziehen und einen Laden nach dem anderen abklappern. Unsere Hamburger Plattenläden schicken einander die suchenden Kunden zu, jeder ein Spezialist in seinem Metier und doch gemeinsam ein eingespieltes Team. Allein könnte keiner von ihnen überleben, zu niedrig ist der Umsatz für den Einzelnen.

Und so gilt für alle: Eine Mieterhöhung und der Laden ist dicht! Doch wenn auch nur ein Laden zumacht, sterben die anderen nach und nach mit. Championship und Burn Out Records sind schon weg. Slam Records hat eventuell auch nur noch ein paar Jahre. Selekta Records kann sich besser auf dem Schulterblatt halten, wenn Zardoz da ist. Wenn Zardoz geht, dann bricht also eine ganze Struktur ein. Das ist wie ein Gummistiefel mit Loch: Nur ein Tropfen und der ganze Fuß ist nass. Deshalb lasst uns das Massensterben von intelligenten, kulturprägenden und engagierten Hamburger Plattenläden stoppen. Machen wir Hamburg wieder zur Vinyl-Stadt und retten Zardoz Records. Macht euren Einfluss geltend und spendet Raum, Geld oder Macht! Rettet Zardoz! JEDE IDEE ZÄHLT!

Eure Raumsonde 

Andrea

Beitragsbild: Natalie Perea 


Who the fuck is…

Andrea Rothaug Szene Hamburg Stadtmagazin

Foto: Katja Ruge

Andrea Rothaug ist eine musikalische Raumsonde mit Hang zum Wort, Kulturmanagerin, Autorin, Dozentin, Veranstalterin, Präsidentin. Was diese Frau so alles treibt, erfahren Sie auf Ihrer Website


 Dieser Text ist ein Auszug aus SZENE HAMBURG, Februar 2018. Das Magazin ist seit dem 26. Januar 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!

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