Gastro Guide: Is(s)t Hamburg nachhaltig?

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Leckeres Essen und gute Gespräche: das VIP Dinner im Thalia Gauß

Als soziale Distanz noch nicht notwendig war, haben wir das Leitthema der neuen SZENE HAMBURG ESSEN+TRINKEN 2020 (erscheint am 7. April) bei einem Dinner mit Gästen aus Kultur, Wirtschaft und Gastronomie diskutiert: „Is(s)t Hamburg nachhaltig?“
Text: Ilona Lütje & Hedda Bültmann
Fotos: Roeler

Nicht erst seit Greta ist das Thema Nachhaltigkeit in aller Munde. Doch spielt sie sich auch auf den Tellern der Restaurants ab? Was setzen Hamburger Gastronomen bereits um und spielen alle Beteiligten – von der Lebensmittelproduktion bis zum Lieferanten – mit? Wie sieht überhaupt nachhaltige Gastronomie aus? Und an welche Grenzen stößt sie? Das diskutierten wir mit unseren Gästen aus Wirtschaft, Kultur und Gastronomie bei einem gemeinsamen Dinner.

Auf den Dinner-Tafeln regionale und saisonale Küche, auf der Bühne echte Schwergewichte in Sachen Nachhaltigkeit, auch wenn es auf den ersten Blick nicht ganz auf der Hand liegt. Denn mit Iglo-Chefin Antje Schubert sitzt eine Expertin aus dem Tiefkühlkost-Bereich auf dem Podium. Warum aber TK-Ware und Massenproduktion sehr wohl mit Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können, erläutert sie an diesem Abend sehr anschaulich. Schließlich setze das Unternehmen auf naturnahen Gemüseanbau sowie nachhaltigen Fischfang, dank Tiefkühlung werde die Lebensmittelverschwendung eingegrenzt und durch die Einführung eines Ampelsystems und die Entwicklung von Fleischersatz-Produkten auf Erbsenproteinbasis gehe man auch auf neue Ernährungstrends ein.

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Trotz vieler Vorteile setzt die Hobenköök auf frische, saisonale Produkte statt auf Tiefkühlprodukte. Diese kämen dabei zu 80 Prozent aus der Region in einem Umkreis von maximal 200 Kilometern, betont Inhaber Thomas Sampl. Warum nicht zu 100 Prozent? „Unser Stammgast Miriam will jeden Tag ein neues Gericht. Ab einem bestimmten Monat wird’s schwierig in Norddeutschland“, erklärt Sampl. „Nach dem 25. Kohleintopf ist auch mal gut.“

Die Region wolle er unterstützen, ohne den Kunden dabei zu bevormunden. „Ich habe mir abgewöhnt, Kunden und Gäste erziehen zu wollen“, sagt er, „ich bekomme sie über den Geschmack, sie merken, dass es gute Produkte sind.“ Als Gastronom nachhaltig zu arbeiten, sei allerdings extrem schwierig, betont Sampl. Das Problem ist ein logistisches. „Der Koch kann nicht immer zum Wochenmarkt. Dass das Mehl von der Mühle kommt und nicht vom Großhändler und das Öl nicht aus dem nächsten Supermarkt, wäre eine logistische Meisterleistung.“

„Wir müssen das Bio-Klischee ausräumen“

Unterstützung finden Gastronomen hier zum Beispiel bei Greentable, einer Initiative für Nachhaltigkeit in der Gastronomie. „Wir beraten Gastronomen und versuchen, sie für das Thema zu sensibilisieren“, erklärt Gründer Matthias Tritsch, der sicher ist: Ein grüner Anstrich tut der Gastronomie gut.„Nachhaltigkeit ist nicht nur die Verwendung von nachhaltigen Produkten, sondern auch faire Bezahlung und Chancengleichheit für alle Mitarbeiter, Abfallvermeidung, Ressourcenschonung durch Energie- und Wassersparen, soziales Engagement.“ Von insgesamt zwölf Kriterien müsse ein Gastronom sechs erfüllen. „Über unser Qualitätssiegel können die Gastronomen zeigen: Hier achtet man ein bisschen mehr auf Nachhaltigkeit als der Kollege nebenan“, so Tritsch.

Das Thema Nachhaltigkeit hat sich auch Tjaden’s Bio Frischemarkt auf die Fahnen geschrieben. In den neun Hamburger Filialen werden hauptsächlich Produkte von Lieferanten aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg verkauft. Doch viele Lieferanten bedeuten auch viele Lieferwege. Ist das nachhaltig? „Wir müssen das Bio-Klischee ausräumen. Kein Bauer kommt mit zwei Kisten Salat, vieles geschieht über Großhändler“, betont Tjaden.

Wichtig sei vor allem: Bio ist nicht zwangsläufig nachhaltig und nachhaltig nicht immer bio. „Der konventionelle Apfel aus dem Alten Land kann nachhaltiger sein als der Apfel mit Bio-Siegel, der einen langen Lieferweg hat“, so Tjaden und mahnt: „Wir müssen Produkte wieder mehr wertschätzen. Das Bewusstsein muss wachsen, dass nicht immer alles verfügbar sein muss.“ Das ginge nur, wenn der Kunde auch gut informiert sei. Seine Kunden seien das in der Regel und lieferten dem Bio-Markt auch viele Denkanstöße: „Wir schauen dann, was sich davon umsetzen lässt“, sagt Tjaden. In dem Hamburger Familienunternehmen werden die Bons heute zum Beispiel auf Altpapier gedruckt, der Strom ist umweltfreundlich, es gibt wiederverwendbare Brotbeutel und Obstnetze.

Umwelt und Geschmack verbessern

Zeigen, dass es besser geht, will auch Dr. Stephan Böhm. Er, der eigentlich Intensivmediziner ist, hat seine Berufung nicht in der Klinik, sondern auf dem Acker gefunden: Auf einem Hof für regenerative Landwirtschaft, direkt am Klövensteener Forst. Sein Ziel: die Umwelt verbessern, die Biodiversität erhöhen, den Geschmack der Produkte verbessern.

Seit Anfang 2019 ist er Projektkoordinator auf dem Gut Haidehof, auf dem die Landwirtschaft wieder per Hand betrieben wird und die Wiesen nachhaltig beweidet werden. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, hat Böhm eine wichtige Botschaft: „Wir müssen das Land regenerieren, natürliche Kreisläufe wiederherstellen, den Verbrauch reduzieren.“ Auf Fleisch verzichten? „Weder als Mediziner, noch als Landwirt kann ich das unterschreiben.“ Veganismus sei keine Antwort, ein gesundes Ökosystem ohne Tiere nicht möglich. Sein Rat: „Wir sollten Tiere mit Respekt großziehen, schlachten und verspeisen – aber in Maßen, nicht in Massen.“

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Is(s)t Hamburg denn nun nachhaltig? „Nein“, sagt Böhm. „Aber wir gehen in die richtige Richtung: Zurück zum Geschmack und zur Wertschätzung, weg vom Preiskampf.“ Das sieht auch Iglo-Chefin Antje Schubert so: „Solange Blumenkohl teurer ist als Schnitzel, haben wir ein Problem.“

Mehr über das große Thema Nachhaltigkeit und die komplette Diskussion an diesem Abend gibt’s in „SZENE HAMBURG ESSEN+TRINKEN“ – erhältlich ab 7. April 2020


 SZENE HAMBURG Stadtmagazin, April 2020. Das Magazin ist seit dem 28. März 2020 im Handel und  auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich! 

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