Im Gespräch mit Quentin Tarantino

Quentin Tarantino The Hateful 8 Hamburg

Der wahnsinnige Regisseur rechnet in „The Hateful 8“ gnadenlos mit dem Rassismus in den USA ab. Wir sprachen mit Tarantino über sein genial inszeniertes winterliches Westernepos

SZENE HAMBURG: Mr. Tarantino, Sie haben bereits im Vorfeld von „The Hateful 8“ zu Protokoll gegeben, dass dies Ihr bislang politischster Film ist. Das müssen Sie erklären, immerhin sprechen wir hier von einem Western …

Quentin Tarantino: Aber es ist eben nicht irgendein Western. Er spielt direkt nach dem Sezessionskrieg, die Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten war auch nach Kriegsende noch fest in den Köpfen verankert. Das spiegelt ganz gut den Zustand unseres Landes heute wieder, denn auch heute geht eine Kluft durch unser Land. Wenn Sie so wollen, ist der Film also eine Metapher auf die Gegenwart.

Warum dann nicht gleich einen Film über das heutige Amerika drehen?

Das wäre zu einfach, oder? Wir Filmemacher bedienen uns nun einmal verschiedener Genres – und die können sich durchaus auch mal überschneiden. Ein Freund nannte „The Hateful 8“ meinen ersten post-apokalyptischen Film. Das hat mir gefallen. Nur dass wir eben nicht wie bei „Mad Max“ in der australischen Wüste sind, sondern in der winterlichen Einöde Amerikas. Die Apokalypse ist überstanden, aber die Gesellschaft, wie die Figuren dieser Geschichte sie gekannt haben, liegt in Trümmern, wofür sie sich alle gegenseitig die Schuld geben.

Das Western-Genre hat es Ihnen angetan. Warum eigentlich?

Es macht als Regisseur einfach viel Spaß, Western zu drehen. Eine Weile hat es mich gereizt, ähnlich wie Kubrick von einem Genre zum nächsten zu ziehen. Aber bei „Django Unchained“ habe ich irgendwie dauerhaft Feuer gefangen. Vielleicht auch, weil ich mich innerhalb des Westerns mit den Schwierigkeiten zwischen Schwarzen und Weißen und dem Thema Sklaverei auseinandergesetzt habe. Das war bis dahin ja unerhört.

Wägen Sie selbst ab, wie viel Gewalt Sie in Ihren Filmen zeigen und wo Sie auch mal Grenzen ziehen?

Ich denke nicht darüber nach, wie viel Gewalt ein Film verträgt oder nicht. Dass das zwecklos ist, habe ich schon bei meinem allerersten Drehbuch gemerkt. „True Romance“ habe ich damals eigentlich als romantische Komödie verstanden, aber schon der Film war am Ende so brutal wie alles, was ich dann später folgen ließ. Mir geht es einfach immer um die Geschichte. Und wenn die nach Gewalt schreit, dann zeige ich auch Gewalt.

Dass Sie entsprechende Geschichten erzählen wollen, kommt doch aber sicher nicht von ungefähr, oder?

Natürlich nicht. Wahrscheinlich hilft ein Blick darauf, welche Ära mich als junger Mann geprägt hat. Das waren die Achtzigerjahre, also die repressivste Phase, die das amerikanische Kino seit den Fünfzigern erlebt hat. Jeder verdammte Film musste ein Happy End haben! In Romanen konnte dagegen schon damals alles passieren; man musste auf jeder Seite mit dem Schlimmsten rechnen. Seit meinen ersten Filmen war ich getrieben von der Idee, mir die gleichen Freiheiten nehmen zu können, die den Schriftstellern zur Verfügung standen. Und ich glaube, das ist mir tatsächlich gelungen!

Anders als die meisten Ihrer Kollegen weigern Sie sich hartnäckig, digital zu arbeiten und drehen noch immer auf Film. Frustriert es Sie nicht, dass ein Großteil der Zuschauer sich Ihre Werke trotzdem auf Laptops und Handys ansehen wird?

Ich kann nur sagen: Ich selbst hasse es, einen Film auf dem Laptop zu gucken. Ich habe das versucht, aber ich kann es einfach nicht. Eigentlich bin ich dabei gar nicht dogmatisch. Viele der größten Film-Meisterwerke habe ich im Fernsehen gesehen, sogar mit Werbeunterbrechungen. Aber nichts geht über das Kino und die große Leinwand. Deswegen setze ich alles daran, meine Arbeiten so kinotauglich wie möglich zu gestalten. Und dazu gehört eben auch das Drehen auf Film.

Interview: Patrick Heidmann

Regie: Quentin Tarantino. Mit Kurt Russell, Samuel L. Jackson, Jennifer Jason Leigh, Walton Goggins, Tim Roth, Michael Madsen, Demian Bichir

Der Film läuft seit 28.1. in den Hamburger Kinos – im Savoy in epischer Breite:

The Hateful 8 Kino Hamburg

„The Hateful “ ist auf 70-Millimeter-Film gedreht, einem schon im analogen Zeitalter ungewöhnlichen Material; damals waren 35 Millimeter breite Filmstreifen Standard. Die Qualität der 70-Millimeter-Bilder ist nach wie vor einzigartig, hochwertiger geht es nicht. Heute wird fast ausschließlich digital produziert, auch die Kinos haben auf digitalen Betrieb umgestellt. Heißt: Der Film wird in der Regel nicht mehr von einer Filmrolle abgespielt. Die neuen Methoden sind einfacher und günstiger, doch die Bilder verlieren an Brillanz und Detailreichtum.

Das Savoy Filmtheater hat deshalb für einen fünfstelligen Betrag extra einen 70-Millimeter-Projektor angeschafft, die Projektorluke des Vorführraums umgebaut und für entsprechend geschulte Filmvorführer gesorgt, um „The Hateful 8“ und in Zukunft auch andere 70-Millimeter-Filme auf der 18 Meter breiten Leinwand zeigen zu können – „das gibt es meines Wissens nur in drei oder vier Kinos in Deutschland“, erklärt Savoy-Theaterleiter Gary Rohweder stolz. Das Besondere sei nicht nur die extrem hohe Auflösung der Bilder („Bei einem Close-up siehst du quasi in jede Pore rein“), sondern auch ihr Format: Das Bild ist breiter und flacher als üblich.

Text: Mirko Schneider

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