Jürgen: „Irgendwann sterben sie“

„In den Siebzigern bin ich schon bei meiner Mutter mitgelaufen.“ (Bild: Max Nölke)

„Man darf es ja gar nicht sagen, aber zu Zeiten der ganzen Beschränkungen fand ich Hamburg so schön wie nie zuvor. Die leeren Straßen, die geschlossenen Cafés, die Ruhe in der Stadt – das war besonders und habe ich noch nicht erlebt. Und ich bin immerhin seit 40 Jahren als Postbote unterwegs. Da lebt man im Stress, im Wirrsal: Straße rauf, Straße runter, Treppe hoch, Treppe runter, durch die Menschenmassen hindurch, an den Autos vorbei. Alles war wie weggefegt.

Schon meine Mutter war bei der Post, in den Siebzigern bin ich bei ihr mitgelaufen. Als Kind habe ich es im Postamt geliebt. Wir haben dort Fußball gespielt und alles war voller Briefmarken. Da war für mich schnell klar: Ich will auch zur Post. 1981 hatte ich dann meinen ersten Tag. Man, war ich aufgeregt. Ich habe ewig gebraucht, wusste überhaupt nicht, wo ich entlang musste.

Heute ist es der beste Job der Welt. Sobald ich aus dem Postamt herauskomme, kann ich den Tag so gestalten, wie ich will. Ich laufe am Tag um die zehn Kilometer durch die Gegend, bin immer an der frischen Luft, ob Regen, Sturm, Wind – du lebst mit dem Wetter. Und dabei treffe ich Leute, denen ich seit den Achtzigern ihre Post bringe. Dann sterben sie irgendwann und es kommen Jüngere nach. Es gibt nie Stillstand. Auch die Stadt und die Architektur verändern sich. Nur ich laufe unentwegt mit meiner Karre durch das Viertel. Wie in den Achtzigern. Auch wenn die Knochen langsam wehtun.“

/ Max Nölke

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