Wo sich das Warten lohnt: In der ehemaligen Künstlerkneipe wird mit besten Zutaten und ganz viel Herz gekocht.
Text: Gerd Rindchen
Gefühlt seit der Jungsteinzeit spielen sich in der Fettstraße vor einem unscheinbaren Gebäude allabendlich die gleichen Szenen ab: Menschen mit einem Glas in der Hand und hungrigem Blick starren sehnsüchtig ins Innere des Bistrot Vienna, hoffend darauf, dass endlich, endlich einer der begehrten kleinen Tische im Inneren oder Sommers auch im Laubengang frei wird. Denn Reservierungen gibt es hier für niemanden.
Die erste Schicht Esser besetzt strategisch spätestens ab 18 Uhr alle Tische und wer später kommt, muss sich in Geduld üben. Das Warten lohnt aber: Hier wird handwerklich perfekt, mit Herz und mit besten Zutaten gekocht – und die Gerichte kommen zu Preisen auf den Teller, die einer Reise in die gute alte Zeit gleichkommen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
So genossen wir unlängst einen vorzüglichen, mit perfektem Dressing und frischem Frisée prunkenden Ochsenmaulsalat für 8,50 Euro und zum gleichen Preis ausnehmend leckere, hausgemachte Stockfischbällchen. Ein würziges, mit zart geschmortem Fleisch, großartiger Sauce und einem opulenten Serviettenknödel aufwartendes Wildschweingulasch erfreute des Essers Herz für moderate 19 Euro. Noch etwas günstiger mit 18,50 Euro waren die zartaromatischen, leicht nussigen, in bester Bistrotradition bereiteten Kalbsnierchen in Senfsauce.
Gemütlich, trubelig, gastfreundlich
Die ausgewogene Flaschenweinkarte ist da hingegen eher hanseatisch beherzt kalkuliert. Und auch die offenen Weinempfehlungen auf der Tafel orientieren sich eher am Hamburger Standard (Grauburgunder 0,2 l 8 Euro). Aber dann findet sich jählings eine weitere ruhmreiche Reminiszenz an die Vergangenheit als preiswerte Künstlerkneipe: Ein wirklich ausgezeichneter Grüner Veltliner, ehrlich, saftig, schnörkellos und klar, wird für 4 Euro pro 0,2 Liter ausgeschenkt. Ein sehr guter, Cabernet-basierter Rotwein aus Portugal ist mit 5,50 Euro pro Glas ebenfalls recht gastfreundlich kalkuliert.
So lässt es sich denn eng an eng im trubeligen Ambiente wunderbar genießen – nur Geduld muss man halt mitbringen …
Bistrot Vienna: Fettstraße 2 (Eimsbüttel)