Was Sterneküche mit Fußball zu tun hat

Bianc_Szene-Hamburg
Bianc_Szene-Hamburg

Welche Unterschiede gibt es zwischen einem Ein-, Zwei- oder Dreisternerestaurant? Wir erklären, was Hochküche mit Fußball zu tun hat.

Text: Stevan Paul

Dieses Jahr war es für Hamburgs Gastroszene so spannend wie lange nicht mehr: Wer würde seinen Tabellenplatz halten können, wer aufsteigen? Welcher spielstarke Neuzugang würde geehrt? Die entscheidende Begegnung fand Ende Februar im Berliner Motorwerk statt. Der Guide Michelin hatte eingeladen: Die besten Köchinnen und Köche des Landes sollten vom international renommierten Res­taurantführer ausgezeichnet werden.

Die Verkündung war für 18 Uhr angekündigt, und es ist den Spielverderbern eines Branchenblatts aus Österreich zu verdanken, dass der Überraschungseffekt bei der diesjährigen Michelin-Gala dahin war: Das Magazin hatte die Ergebnisse bereits zur Mittagszeit über Facebook geleakt. 

Die Sterne-Auszeichnungen selbst verloren aber nicht an Glanz. Das alljährliche Erscheinen des Restaurantführers entscheidet mancherorts über Wohl und Weh. Die neuen Bewertungen der Tester werden in der Branche genau verfolgt. Auch wenn sich immer mehr Köche ganz bewusst entscheiden, künftig ausschließlich für ihre Gäs­te und nicht mehr für die Kritik zu kochen – der Guide hat nichts an Strahlkraft eingebüßt. Jedes Jahr vergibt er auch die Bib-Gourmand-Plaketten und zeichnet damit Betriebe aus, die kulinarischen Genüsse auch für kleinere Budgets ermöglichen.

Selbst für Gastro-Kritiker nicht leicht durchschaubar

Nirgendwo in Deutschland gibt es davon mehr als in Hamburg: 2019 erfüllen ganze 16 Restaurants die Bedingungen des Restaurantführers mit einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis. Königsklasse sind aber die Sterne, mit denen der Gui­de die Besten auszeichnet – und das seit 1936. Von seinen Anfängen als Reiseführer des Autoreifenherstellers im Jahre 1900 zeugt bis heute die Definition der Sterne:

1 Stern: 

Eine Küche voller Finesse und einen Stopp wert.

2 Sterne:  

Eine Spitzenküche und einen Umweg wert.

3 Sterne: 

Eine einzigartige Küche und eine Reise wert. 

Vergeben werden diese Sterne nicht an Köche als Person – es ist immer die Kombination aus Chefkoch und Restaurant. So musste Dreisternekoch Kevin Fehling „seine“ Sterne nach dem Umzug von Travemünde nach Hamburg im eigenen Restaurant The Table neu erkochen. So weit die Spielregeln – doch was bedeutet das in der Praxis? Was unterscheidet den Einsterner vom Zweisterner und was den Zweisterner vom Dreisterner?

Mitunter tun sich da selbst für Gastrokritiker erhebliche (und diskutable) Grauzonen auf. Ich hatte das Vergnügen für die SZENE HAMBURG ESSEN+TRINKEN in kürzester Zeit und nacheinander je ein Restaurant aus jeder Kategorie zu besuchen. Am Ende meiner Reise wurde klar: Sterneküche hat viel mit Können, Kultur und Kochkunst zu tun. Vor allem aber auch mit Fußball. 

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Stellen Sie sich ein Fußballspiel der Hamburger Oberliga vor: Sie kennen das Stadion und fühlen sich darin wohl, weil Sie guten, ehrlichen, und ja, auch ehrgeizigen Fußball lieben. Einsternerestaurants funktio­nieren ganz ähnlich, sie sind oftmals regional geprägt und verwurzelt. In Hamburg findet sich da aktuell, neben Klassikern wie dem Landhaus Scherrer oder dem Piment, starker Nachwuchs wie das Petit Amour und vielversprechende Neuzugänge wie das Bianc, das Lakeside im The Fontenay oder das 100/200 von Thomas Imbusch.

Als ich vor Kurzem das N°4 in Buxtehude besuchte, stellte ich fest, dass Einsternekoch Jens Ritt­meyer schon auf dem Sprung in die nächste Liga ist. Einer, der da schon mitspielt, ist Chris­toph Rüffer, seit 2002 Küchenchef im renommierten Restaurant Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten. Seit 2012 hält er den zweiten Stern.

Das ist Bundes­liga: neben Talent und Spielfreude den Unterschied machen. Die Küche ist hochaufwendig und die Erwartung der Fans groß. Kein Wunder, das alle drei Zweisterner in Hamburg (die anderen beiden sind das Jacobs Restaurant und das Seven Seas) zu Hotels gehören. Es ist schwer, in dieser Kategorie ohne Unterstützung oder Mischkalkulation wirtschaftlich zu arbeiten, zumal der Preis für den tatsächlichen Aufwand nur schwer an Gäste weiterzugeben ist. 

Das ist Hoch-Leistungssport. Dafür reisen Menschen weltweit an

Auch hier gibt es Parallelen zum Fußball, denn auch in der Bundesliga ist überwiegend nur noch jedes ­zweite Spiel ausverkauft. Zwischen Bib-Gourmand-Restaurants, lässigen Einsternern und der internationalen Leuchtkraft eines Dreisternerestaurants haben es die Zweisterner, insbesondere unter der Woche, oft schwer. Dabei tut sich preislich zwischen dem Zwei- und dem Dreisterner nicht mehr viel. Der Restaurantbesuch in dieser Liga sollte als Ereignis betrachtet werden, ähnlich dem Besuch eines Robbie-Williams-Konzerts oder eines Länderspiels der Fußballweltmeisterschaft. Das ist Hochleistungssport! Man schaut, staunt und freut sich. 

Kreativität und Innova­tionskraft sind hier unabdingbar und die Ansprüche an die Mannschaft extrem. Es geht um Technik(en), Präzision, einen trainierten Leistungsabruf und um Perfektion. Das sorgt für internationales Renommee, dafür reisen Menschen aus der ganzen Welt extra an. So erklären sich auch die Reservierungsvorläufe von bis zu einem Jahr, etwa bei Kevin Fehlings The ­Table in Hamburg, einem von aktuell zehn Dreisternerestaurants in Deutschland – und die letzte Station meiner Gourmetreise. Dort erfuhr ich, wie emotional berührend Präzision sein kann. 

Dieser rare Moment, wenn Kochen zur Kunst wird und der Koch es schafft, die Gäste zu berühren, wie es ein Musikstück, ein Gemälde oder Literatur kann – den findet man an den erstaunlichsten Orten. Das kann auch in einer Fischbude sein. Neulich saß ich in so einer in Antwerpen und aß die besten Sardinen meines Lebens. Es kommt allein darauf an, wonach Sie suchen.

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