Giulia Becker, Autorin bei Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“, wurde zu Recht dafür gelobt, in ihrem Roman Randfiguren aus der unteren Mittelschicht in den Mittelpunkt zu stellen. Menschen, die sonst unsichtbar bleiben oder in Sat.1 Nachmittagssendungen dem Gespött des voyeuristischen TV-Publikums vorgeführt werden.
Silke, Willy, Martin, Renate und Frau Goebel sind geplagt von Problemen und versuchen, ihren trostlosen Existenzen durch eine Reise ins Brandenburgische „Tropical Island“ zu entkommen. Der Ausbruch misslingt: Das vermeintliche Paradies, jene Halle, die den Eindruck einer „exotischen“ Insel erwecken soll, entpuppt sich als jene Konsumhölle, die die Protagonisten überall hin begleitet. Renate kompensiert den Tod ihres Hundes mit Teleshopping-Triebkäufen, anstatt zu ihrer Freundin Silke zu gehen und bei ihr Trost zu suchen.
Auf einem „Polen-Markt“ vergisst sie vor lauter Schnäppchenexzessen die Rücksicht auf ihre Freunde. In einer radikal durchökonomisierten Welt, die auf Konsum, Wettbewerb und Jeder-ist-seines-Glückes-eigener-Schmied-Maxime setzt, will Becker sagen, ist kein Platz für Solidarität.
Sehr zum Leidwesen der selbstlosen Silke, verschuldete Mitarbeiterin in der Bahnhofsmission und Hauptperson des Romans: „Manchmal fühlt es sich an, als wäre sie ein Schwamm. Mit groben, offenen Poren saugt sie die Probleme in ihrer Umgebung ein, sie kann sich nicht entziehen, sie fühlt alles mit“, heißt es an einer Stelle. Als Silke einen Spendenlauf für den an Krebs erkrankten Obdachlosen Zippo organisiert, wird das Sportfest durch einen Verkaufsstand mit Bruchware gesprengt, der die Teilnehmer weglockt.
Beckers Sozialkritik ist überzeugend, der Roman insgesamt unterhaltsam. Auch wenn „Das Leben ist eins der Härtesten“ sprachlich über weite Strecken zu kraftlos ist. In den schwächsten Momenten lang weilt der Roman mit einer Aneinderreihung von banalen Szenen im „Und dann“-Modus. Der stark auf skurrile Überzeichnungen ausgerichtete Stil der Autorin kann darüber nicht hinwegtäuschen.
/ Ulrich Thiele
Giulia Becker: „Das Leben ist eins der Härtesten“, Rowohlt, 224 Seiten
Für mehr Stories aus Hamburg folge uns auf Facebook, Twitter und Instagram.