Wie im Fieber peitscht Éric Vuillard 300 Jahre Menschheitsgeschichte durch diese 60 Seiten. Der französische Autor skizziert das Leben des Theologen und Sozialrevolutionärs Thomas Müntzer bis zu dessen Enthauptung 1525, „sein Zorn hat ihn hergeführt“. Dieser Zorn hat Vorläufer: John Wyclif (1330–1384) und Jan Hus (1370–1415), deren Aufstände niedergeschlagen werden. Damit endet die Geschichte nicht, „es ist nie zu Ende“, schreibt Vuillard atemlos.
Da ist dieser Gleichheitsgedanke im Christentum, der glüht und drängt, an ihm entflammt sich Müntzers Zorn, dieser fanatische, rasende, vom Machtumsturz besessene Prediger. Er predigt auf Deutsch, vom Gott der Armen, und löst einen Aufschrei der Empörung bei den Herrschenden aus. Es nützt nichts, das Volk erwacht: „Lange schon hatten sie etwas Irritierendes (…) gespürt (…) Warum war der Gott der Armen so merkwürdig auf Seiten der Reichen?“
Vuillard schreibt von der Macht der Worte und ihrer säkularen Wirkung: „In Wirklichkeit betrifft der Zwist um das Jenseits die Dinge dieser Welt“, heißt es an einer Stelle und anderswo über die kommunikative Macht des Buchdrucks: „Und die Bücher vermehrten sich wie Würmer in einem Körper.“ Soziales Elend aus der Opferperspektive zu erzählen, hat in Frankreich eine lange Tradition. Auch Vuillard macht keinen Hehl daraus, auf wessen Seite er steht.
/ Ulrich Thiele
Éric Vuillard: „Der Krieg der Armen“, Matthes & Seitz, 64 Seiten, 16 Euro
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