02.11. | Literatur | Die Erfindung des Nordens | Bernd Brunner

Der Berliner Kulturwissenschaftler Bernd Brunner legt mit „Die Erfindung des Nordens“ eine Kulturgeschichte einer Himmelrichtung vor.
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Kritik

Der Norden ist, das zeigte zuletzt der Hype um „Game of Thrones“, auch in unserem aufgeklärten Zeitalter noch ein sagenumwobener Faszinationsraum. Kalte, herbe Landschaften, menschenleere Einsamkeit, Wikinger, Märchen von Meeresungeheuern und Magnetbergen – der Assoziationsraum ist weit.

Bernd Brunner hat offenbar ein Faible für kalte Gefilde. Nach seiner „Kulturgeschichte des Winters“ legt der Berliner Kulturwissenschaftler mit „Die Erfindung des Nordens“ nun eine Kulturgeschichte einer Himmelrichtung vor. Es ist ein unterhaltsames, kurzweiliges Buch mit bemerkenswerter Informationsdichte, für die Brunner akribisch recherchiert hat. Was genau der Norden eigentlich ist und wo er anfängt, kann dabei nicht exakt gesagt werden.

erfindung-des-nordens-brennerWie der Titel schon sagt, ist der Norden nicht nur geografischer Raum, sondern auch eine Projektionsfläche, deren Anfänge weit zurückreichen. Unsere Vorstellung vom Norden, bis hin zur verklärenden Skandinavienliebe, ist geprägt von literarischen Traditionen. Brunner beschreibt Vorstellungen vom Norden seit der Antike, geht über zu der deutschen Geistesgeschichte um die Brüder Grimm und Herder, die die nordische Mythologie sukzessive für die nord-germanische Tradition vereinnahmten. Natürlich darf dabei die dunkle Seite dieser Tradition nicht unerwähnt bleiben, weshalb Brunner sich in die „Abgründe der Rassenkunde“ begibt, die „Nordische Bewegung“ und die Arier-Ideologie der Nazis nachzeichnet.

Schön sind die Details, wenn Brunner sich mit Expeditionen, Reiseberichten und Mythen wie dem des Einhorns auseinandersetzt. Einziger Wermutstropfen ist – und das ist dem Medium Unterhaltungssachbuch geschuldet – dass eine sich über Jahrtausende ziehende Geschichte auf knapp 300 Seiten durchflogen wird. Es geht alles sehr schnell, wie bei einem dieser Biopics, die versuchen, ein langes Leben in 90 Minuten Film zu quetschen und dafür manche Stationen schnell abarbeiten müssen. Dennoch: Ein lesenswertes und erhellendes Unterhaltungsbuch ist „Die Erfindung des Nordens“ allemal.

/ Ulrich Thiele

Bernd Brunner: „Die Erfindung des Nordens“, Galiani Berlin, 320 Seiten, 24 Euro


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02. November 2020
15:21
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