Theater: Der Tod in Venedig

Im Thalia an der Gaußstraße ist Thomas Mann in „Der Tod in Venedig“ im Gespräch mit sich selbst
Tod in Venedig_Thalia Gauss_(c)Krafft Angerer_klein
Schattenspiel und nasse Füße: „Der Tod in Venedig“ im Thalia Gauß (Foto: Krafft Angerer)

Pfeifend schlendern vier Thomas Manns auf die Bühne. Oder ist es vier Mal Gustav von Aschenbach? Wie viel vom Autor im Protagonisten der Novelle „Der Tod in Venedig“ steckt, rätselten Leser schon vor gut hundert Jahren. Auch Bastian Krafts Inszenierung spielt mit der Vermutung, dass sich der Literat in diesem Text selbst porträtiert – und setzt noch einen drauf: Thomas/Gustav lässt er von vier Schauspielerinnen verkörpern: Sandra Flubacher, Karin Neuhäuser, Oda Thormeyer und Victoria Trauttmansdorff werden mit grauem Herrenanzug, Brille, kurzen Haaren und Schnurrbart identisch verkleidet und perfekt vermännlicht.

Ein Geniestreich im Thalia Gauß

Der Regisseur jongliert souverän mit mehreren Ebenen: Einerseits erzählt er nach wie vor die Geschichte des alternden Künstlers von Aschenbach, der für einen 14-Jährigen entflammt und jegliche Würde verliert. Parallel dazu fantasiert er aber auch den Entstehungsund Wortfindungsprozess des Schriftstellers Thomas Mann hinzu. Das gelingt mit sparsam gesetzten Kommentaren (letztlich wird fast ausschließlich im O-Ton der Novelle gesprochen), doch die reichen aus, um sowohl die Blumigkeit der Sprache als auch die Selbstverliebtheit des männlichen Künstlertums jener Zeit behutsam anzukratzen. Als einzige legt Trauttmansdorff nach einer Weile den Anzug ab und mutiert im Matrosen-Outfit zu Tadzio, dem Objekt der Begierde.

Alle weiteren für die Handlung notwendigen Personen tauchen als Projektion auf der Bühnenrückwand auf, in diesen Filmsequenzen ebenfalls gespielt von den vier Darstellerinnen und dank unglaublicher Maskenbildnerkunst noch einmal vollkommen verwandelt. Venedig und die todbringende Seuche machen sich auf der Bühne durch stetig zufließendes Wasser breit, bis am Ende die gesamte Fläche geflutet ist. Dieser pausenlose 90-minütige Abend ist nichts Geringeres als ein Geniestreich.

„Der Tod in Venedig“ im Thalia Gauß, 10. Februar 2022 und weitere Termine


Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Cover_SZ_2022-02-222x300.jpg

SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Februar 2022. Das Magazin ist seit dem 29.Januar 2022 im Handel und auch imOnline Shop oder als ePaper erhältlich!

Abonniere unseren Newsletter!

Erhalte jeden Tag die besten Empfehlungen für deine Freizeit in Hamburg.

Unsere Datenschutzbestimmungen findest du hier.

#wasistlosinhamburg
für mehr Stories aus Hamburg folge uns auf