Tipps zu Berufseinstieg und Karriereplanung

Astrid Nissen-Schmidt, Vizepräses der Handelskammer Hamburg

Corona sollte die Berufsentscheidung nicht zu stark beeinflussen, rät Astrid Nissen-Schmidt, Vizepräses der Handelskammer Hamburg. Auf der Suche nach der richtigen Wahl finden junge Menschen hier Unterstützung

Die Handelskammer Hamburg ist neben der Agentur für Arbeit für viele junge Menschen der erste und wichtigste Anlaufpunkt zur professionellen Berufsorientierung und damit ein entscheidender Schritt in ihr Berufsleben. Die Handelskammer zeigt mit vielen Programmen und persönlicher Beratung auf, welch vielfältige Optionen es gibt, um in eine gute Zukunft zu starten. Vizepräses Astrid Nissen-Schmidt erzählt über die aktuelle Lage am Ausbildungsmarkt und gibt Tipps zu Berufseinstieg und Karriereplanung.

Frau Nissen-Schmidt, seit längerer Zeit haben Ausbildungsbetriebe erhebliche Probleme, geeignete Ausbildende zu finden. Dann kam Corona. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation am Hamburger Ausbildungsmarkt ein?

Die Corona-Krise hat auch den Arbeitsmarkt stark getroffen. Die Zahl der neu eingetragenen Ausbildungsverhältnisse lag Ende Juni mit minus 20 Prozent deutlich unter dem Niveau der Vorjahre. Wir gehen davon aus, dass der Rückgang im Wesentlichen auf die Corona-Krise zurückzuführen ist. Schulausfälle, die größtenteils fehlenden Berufsorientierungen in den Schulen und vereinzelt verzögerte Schulabschlüsse haben zu Verunsicherungen geführt.

Außerdem wurden die Auswahl- und Bewerbungsprozesse in den Betrieben erschwert und verzögert. Wie hoch die gesamte Abweichung für das kommende Ausbildungsjahr am Ende sein wird, können wir jetzt nicht sagen. Viele Betriebe suchen noch Auszubildende. Ein Start in die Ausbildung ist in dieser schwierigen Zeit auch später im Herbst möglich. Jeder Jugendliche hat also noch die Chance, in diesem Jahr eine Ausbildung zu beginnen, wozu ich alle sehr ermuntern möchte.

Die Bundesregierung hat im Rahmen der aktuellen Situation das Programm „Ausbildungsplätze sichern“ aufgesetzt. Was verbirgt sich genau dahinter und zeigt es auch Wirkung am Markt? 

Das Programm richtet sich an kleine und mittelständische Unternehmen, die durch die Corona-Krise gebeutelt sind und bereits Fördermaßnahmen in Anspruch genommen haben. Sie erhalten zusätzlich einen festen Zuschuss, wenn sie weiterhin einen Ausbildungsplatz anbieten. Es ist also eine direkte Förderung, die gerade angelaufen ist. Die Wirkung können wir deshalb noch nicht abschätzen. Wir begrüßen es sehr, dass die Bundesregierung hier ein so klares Signal setzt und damit zeigt, welche überragende Bedeutung der dualen Berufsausbildung in diesen schwierigen Zeiten zukommt. Viele Unternehmen, auch die großen Betriebe, denen diese Förderung nicht zusteht, halten nach wie vor an ihren Auszubildenden fest. Unser Eindruck ist, dass die Ausbildungsplätze das Letzte sind, an dem gespart wird. Die Unternehmen erkennen, dass sie trotz der Krise ganz sicher in drei Jahren weiterhin gute, neue Mitarbeiter brauchen. Das ist ein tolles Signal.

Sollte man Jugendlichen, mit diesem Hintergrund, eher zu einer sicheren Ausbildung raten? Oder was ist ihr Rat?

Eine duale Berufsausbildung ist immer ein guter Start in die Karriere und bietet viele Entwicklungsmöglichkeiten in alle Richtungen. Damit ist sie auf jeden Fall ein spannender Berufseinstieg und auch ein sicheres Standbein. Was heutzutage eine sichere Ausbildung ist, lässt sich gar nicht genau vorhersagen. Die Welt um uns herum ist so sehr in Bewegung, dass ganz schwer zu sagen ist, was morgen Sicherheit gibt. Das ist aber gar nicht entscheidend und auch Corona sollte meinem Empfinden nach nicht beeinflussen, für welchen Beruf sich die jungen Menschen entscheiden.

Wichtig ist, sich auf seine ureigenen Stärken und Interessen zu besinnen. Sich selbst fragen, womit man sich gerne beschäftigt und wofür man eine Leidenschaft hat. Denn wofür man brennt, da ist man auch am besten. Gerade Eltern denken gerne an die finanzielle Sicherheit, wenn es um die Zukunft ihrer Kinder geht. Das wird sich aber immer finden, wenn man etwas mit echter Leidenschaft macht. Ich bin sehr optimistisch: Wer seine Talente mit Freude ausleben kann, wird damit immer erfolgreich sein.

Am Ende legt ja jeder Auszubildende seine Prüfung vor der Handelskammer ab. Wie unterstützen Sie junge Menschen beim Berufseinstieg?

Wir unterstützen in der wichtigen Phase der Berufsorientierung. So gehen wir zum Beispiel mit Unternehmensvertretern in die Schulen und klären die Jugendlichen über die Vorteile einer dualen Berufsausbildung und die an- schließenden Karrieremöglichkeiten auf. Auch Azubis werden zu solchen Terminen mitgenommen und berichten live über ihre eigene Ausbildung. Das gibt den Schülerinnen und Schülern einen guten Überblick über die Vielfalt der über 150 Berufe der dualen Ausbildung im Bereich Dienstleistungen, Handel und Industrie.

Ganz wichtig sind in diesem Zusammenhang unsere Azubi-Messen, die wir leider in diesem Jahr nicht durchführen konnten. Damit wir aber trotzdem so viele Jugendliche wie möglich in eine Ausbildung bringen, veranstalten wir am 22. und 23. September ein Azubi-Speeddating. Zehn Minuten haben die jungen Leute Zeit, sich bei ihren potenziellen zukünftigen Ausbildungsunternehmen zu präsentieren. Das Unternehmen kann sich gleichzeitig ein Bild von der Persönlichkeit des Interessenten machen und ist nicht nur auf die Bewerbungsunterlagen angewiesen.

Sie bieten den „Integrierten Ausbildungsservice (Intas)“ an. Was genau verbirgt sich dahinter und wie hilft es den Ausbildungsplatzsuchenden? 

Der integrierte Ausbildungsservice ist eine Lehrstellen- und Ausbildungsplatzvermittlung der Handelskammer Hamburg. Hier werden ein erster Test und ein persönliches Vorstellungsgespräch angeboten. Daraus wird ein Bewerbungsprofil erstellt und suchenden Unternehmen zur Verfügung gestellt. Somit haben die Bewerber die Chance, gleich mehrere Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen.

Gibt es von Ihnen Tipps, was Eltern lieber lassen sollten? Und wie sie wirklich hilfreich unterstützen können? 

Eltern sollten bei der Berufswahl ihrer Kinder eher ein Coach und weniger ein Ratgeber sein. Wichtig ist es, die Jugendlichen nicht alleine zu lassen, weil sie bei dieser sehr wichtigen Entscheidung Hilfe brauchen. Die Eltern können beispielsweise durch die richtigen Fragestellungen unterstützen: „Wo siehst du dich in drei Jahren?“, „Was kannst du richtig gut?“.

Dadurch kommen die Jugendlichen viel besser auf die Idee, was für sie das Passendste ist. Das ist definitiv der bessere Weg, als genaue Berufsvorschläge zu machen oder schon den Schritt nach der Ausbildung zu planen. Es geht erst einmal darum, die echten Interessen abzuklopfen, zum Beispiel ob jemand gerne kreativ arbeiten möchte, und sich dann darauf aufbauend unterschiedliche Berufsoptionen anzuschauen.

Das Thema der bekannten Azubi-Messen hatten Sie ja schon angesprochen. Gibt es situationsbedingt aktuell Überlegungen für neue digitale Angebote?

Wir haben ja schon viele digitale Angebote, die jetzt noch weiter ausgebaut werden. Das Thema der digitalen Transformation hat durch die Corona-Krise noch einmal deutlich an Beschleunigung in allen Bereichen gewonnen, sodass wir unsere Programme damit einhergehend immer weiterentwickeln. Unser Auftritt wird noch digitaler werden, um über diese neuen Kanäle besser mit den jungen Leuten kommunizieren zu können und sie da abzuholen, wo sie täglich unterwegs sind.

Wenn Sie auf Ihr eigenes Berufsleben zurückblicken, welchen Rat können Sie heute einem jungen Menschen geben, der noch ganz am Anfang seiner Reise steht und ganz sicherlich das eine oder andere Hindernis vorfinden wird, um recht gut durch sein Berufsleben zu segeln? 

Rückblickend auf mein eigenes Berufsleben, aber auch aufgrund der Tatsache, dass ich Hunderte junge Leute in den letzten zwanzig Jahren auf einem Teil ihres Berufsweges begleitet habe, habe ich viele erfolgreiche, aber auch einige weniger erfolgreiche Berufslaufbahnen beobachtet. Mit dieser Erfahrung empfehle ich, Schritt für Schritt zu denken und zu planen.

So kann man immer wieder neu planen, anstatt einem sehr fernen Traumziel hinterherzurennen. Das Berufsleben ist nicht nach drei Jahren vorbei und bis dahin kann sich auch so viel verändern. Durch die äußeren Umstände, aber auch bei einem selbst. Und man sollte auch akzeptieren, dass nicht jeder Weg, den man einschlägt, der richtige sein wird. Es gibt dann Alternativen und neue Möglichkeiten, die besser zu einem passen.

www.hk24.de/produktmarken/ausbildung-weiterbildung 


 Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Ausbildung, 2021. Das Magazin ist seit dem 19. September 2020 im Handel. Bestellt euch das Heft oder Blättert hier durch das Magazin! 

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