Filmkritik: „Beau is afraid“

Joaquin Phoenix spielt in „Beau is afraid“ mit anbetungswürdiger Hingabe Beau Wasserman auf aufreibender Reise zur Übermutter
Beau (Joaquin Phoenix) will eigentlich nur seine Mutter besuchen, erlebt aber einen abgefahrenen Trip (©Leonine Studios)
Beau (Joaquin Phoenix) will eigentlich nur seine Mutter besuchen, erlebt aber einen abgefahrenen Trip (©Leonine Studios)
„Beau is afraid“ läuft ab dem 11. Mai 2023 im Kino (©Leonine Studios)
„Beau is afraid“ läuft ab dem 11. Mai 2023 im Kino (©Leonine Studios)

Schon sein Vorname mag ihm nicht so richtig passen: Wampert und kahlköpfig sitzt Beau Wasserman (Joaquin Phoenix) zu Beginn bei seinem Psychiater. Eine angstbelastete Reise zu seiner manipulativen Mutter steht an, da ist moralische und medikamentöse Hilfe gefragt. Zurück in seinem armseligen Apartment beginnt Beau zu packen. Draußen auf der Straße tobt die Karikatur amerikanischen Drogen-Elends. Aggro-Bettler, gesichts-tätowierte Stalker und messerschwingende Wahnsinnige wollen ihm ans Leder.

Seinem Realitätssinn darf man indes nicht mehr vollends trauen: Kurz zuvor hat Beau die neuen Tabletten geschluckt, und zwar, anders als im Beipackzettel empfohlen: Ohne Wasser, man! Sein Trip zur Quelle allen Übels wird zur haarsträubenden Odyssee, in deren Verlauf der konstant am Rande des Nervenzusammenbruchs herumschippernde Held unter anderem von einem Home-Office-Chirurgen adoptiert, von dessen Wandfarbe trinkender Teenie-Tochter bedroht und von einem wütenden PTBS-Kriegsveteranen in die umliegenden Wälder gejagt wird. Dort probt eine experimentelle Theatergruppe ein Stück, welches allegorisch Beaus Paranoia beleuchtet.

Eine rastlose, urkomische und freudianisch geprägte Reise

Klingt ein wenig ballaballa? Nun, dies ist der neue Film von Ari Aster, der zuvor mit den epischen Horror-Artefakten „Hereditary“ und „Midsommar“ die Nerven seines Publikums testete. Beim dritten Streich macht er den Schritt hin zu einer experimentelleren, episodenhaften Erzählweise. „Beau is afraid“ ist eine rastlose, urkomische, freudianisch geprägte Reise durch so ziemlich alles, was bei einem Menschen Komplexe, Panik und Schuldgefühle auszulösen vermag. Phoenix spielt diesen Hans im Dauer-Unglück mit anbetungswürdiger Hingabe. Wenn der geschundene Held nach drei aufwühlenden Kinostunden im die „Truman Show“ zitierenden Finale vor dem Jüngsten Gericht steht, ist man gemeinsam mit ihm zu Tode erschöpft, aber auch seltsam beglückt von diesem völlig unberechenbaren, im Stile einer Rube-Goldberg-Maschine inszenierten „Mommy-Issue-Marathon“.

„Beau is afraid“, Regie: Ari Aster. Mit Joaquin Phoenix, Nathan Lane, Amy Ryan. 179 Min. Ab dem 11. Mai 2023 im Kino.

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 05/2023 erschienen.

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