Bedrohte Räume #31 – Der gute Vorsatz …

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… als Familienidyll oder lang lebe der SUV!

Happy New Year! Helau! Böllerregen! Kreischalarm! Und dann am ersten Januar: Die freshen Vorsätze machen Bock: weniger Stress, weniger Fremdgehen (vielleicht), weniger Fluppen, weniger CO2, mehr Sport, mehr Sex, mehr soziales Engagement, mehr Nächstenliebe … ach, all die schönen Ambitionen.

Doch wir wissen es längst, der bedrohteste Raum unter den Räumen 2019 ist der gute Vorsatz aus dem Dezember. So flüchtig wie ein Furz auf dem Michel, so deep wie ein Bumms in der Herbertstraße. Silvestervorsätze, so DuckDuckGo, haben ein kurzes Gedächtnis – schon am Neujahrsabend ist alles verbömmelt. Und genau deshalb tausche ich jetzt für uns alle ein paar abgerauschte Vorsätze gegen erreichbare Ziele aus, die bis Dezember 2019 vom bedrohten Raum zur fetten Bastion geworden sein könnten und nicht mal von Hamburgs größten Raumvernichtern kleinzukriegen sind.

Stellen wir uns vor, unsere gemeinsamen Ziele wären klar und für alle da: Hamburg rettet den Cityhof bis 31.12.2019 und saniert die Schilleroper. Hamburg rettet den Werkshof Bernie 117 und den Musikbunker in der Otzenstraße bis 31.12.2019. Hamburg erhält ein Experimentierhaus für die Popkulturszene im Umfang der Elbphilharmonie und mit einer Gender & Diversity-Quote von 50:50 bis 31.12.2020. Hamburgs HVV ist kostenfrei für alle bis 31.12.2019 und Hamburg ist SUV-frei bis 31.12.2019. Wir schaffen das, Piepels, wenn nicht wir, wer dann!?

Kaum ausgesprochen, schlamasselt es bereits: Der SUV! Die Dreckschleuder im Panzerdesign, die sich dieser Tage eine Lobby beim Highpriest of Automafia ADAC erkauft hat, der tatsächlich größere Parkplätze fordert. Ist das zu fassen? In Zeiten des Ökozids mehr Platz für SUVs? In den letzten 30 Jahren seien die Autos laut Uni Duisburg-Essen um 22 Zentimeter breiter geworden, da müsse man doch handeln. Ach, echt jetzt? Einen Vierbeiner, der groß und breit ist wie ein Bär aus Alaska. Ein Moppelchen, das uns die überflüssigen Einkäufe für die Lieben transportiert, den Stollen für Oma, den Getrenntmüll oder die zwei Lümmel aus der 1b, die sich beim Bro um die Ecke zum Gamen treffen? Schon bald stehen Zahnarzt, Tanzunterricht und Wellness-Weekend an. Uff, wie gut, dass wir ihn haben: den SUV! Der Dickmops, der 5 kg CO2 rausballert, wenn er nur zum Supermarkt gurkt.

Bis Mitte dieses Sommers nahm ich noch an, dass die Tommy-Hilfiger-Jacke unter den Autos, der Umsichtigkeit der Politik, der User und des ADACs zum Opfer fallen würde. So viel Karre für so wenig Kind, so eine Art rollendes Kino für Blinde. Das würde sich bald selbst ’ne Axt ins Bein hauen. Weit gefehlt. Ich habe die Rechnung ohne den klimabewussten Klimasünder gemacht. Er ist es nämlich, der Fernreisen und seine Karre so sehr liebt, dass er die Monster aus seiner CO2-Bilanz einfach ausblendet. Er ist es, der nicht nur seine geräumige Altbauwohnung ungedämmt beheizt, sondern auch den SUV zum Wohlfühlen braucht. Und genau dieses Verhalten ist Teil der guten Vorsätze: Die Wahrheit sagen, während er lügt, so ist er der klimabewusste Klimasünder.

„Dieses Jahr stellen wir uns einen Bienenstock auf den Balkon und statt Alufolie benutzen wir nur noch Wachstücher, die kann man waschen. Und ich möchte 2019 auch viel weniger haben wollen, was brauchen wir mehr als ein paar Oliven und eine Flasche Wein …“ Kotzwürgkreisch … Das war dann auch bald der allerletzte Tropfen auf dem heißen Stein.

Deshalb, lieber SUV-User, wir verklagen dich, denn wir haben jetzt erreichbare Vorsätze: Menschen, die sich an der Luft anderer bedienen und damit lebensgefährliche Katastrophen in Kauf nehmen, dürfen ab 1.1.2019 wegen Ökozid verklagt werden. Damit wird der gute Vorsatz zum Familienidyll und der SUV watschelt auf den Schrotthaufen der Geschichte. Die Parkplätze werden zu Gartenparzellen und wir pflanzen magic mushrooms, um endlich bedrohte Räume zu Bastionen werden zu lassen: weniger Stress, weniger Fluppen, weniger CO2, weniger Fremdgehen, mehr Sport, mehr Sex, mehr soziales Engagement, mehr Nächstenliebe. Bleiben Sie politisch! Wir schaffen das!

Eure Raumsonde

Andrea


Who the fuck is…

Andrea Rothaug Szene Hamburg Stadtmagazin
Foto: Katja Ruge

Andrea Rothaug ist eine musikalische Raumsonde mit Hang zum Wort, Kulturmanagerin, Autorin, Dozentin, Veranstalterin, Präsidentin. Was diese Frau so alles treibt, erfahren Sie unter www.andrearothaug.de


Dieser Beitrag stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Januar 2019. Das Magazin ist seit dem 21. Dezember 2018 im Handel und zeitlos im Online Shop und als ePaper erhältlich! 


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