Wenn Nachbarn sich streiten, freut sich der Anwalt. Wir haben für euch Kurioses gesammelt und mit RA Siegmund Chychla vom Hamburger Mieterverein gesprochen.
Ein Beitrag aus der neuen SZENE HAMBURG WOHNEN + LEBEN 2017
§ Die Blumen des Bösen
Dieser Vermieter wusste es: Blumen sind von Grund auf böse! Deswegen wollte er seinem Mieter vom Landgericht Hamburg verbieten lassen, Blumenkästen an seinem Balkongeländer anzubringen. Das Gericht vergönnte dem blumenliebenden Mieter zum Ärger des Vermieters seine Blumenkästen, da diese keine Belästigung für die Nachbarn oder Verschmutzungen mit sich brächten. Allerdings sollten diese ordnungsgemäß befestigt sein. Ordnung muss sein!
/ Ulrich Thiele
Quelle: Az.: 316 S 70 / 04
§ Die Blumen des Bösen II
In einem anderen Fall wurde dem Mieter tatsächlich untersagt, Blumenkästen an seinem Balkon zu befestigen. Immerhin hatte der Vermieter dies vorweg im Mietvertrag bestimmt, was beim Einzug vom Mieter unterschrieben wurde. Doch es gab zumindest ein Trostpflaster für den Mieter: Eine herabhängende Blumenampel sei nämlich erlaubt, beschloss der zuständige Richter, denn diese sei im Vertrag an keiner Stelle erwähnt.
/ Ulrich Thiele
Quelle: Az.: 538 C 9949/00
Foto: Franziska Evers
„Vom Mietvertragsabschluss ist abzuraten, wenn Streit mit dem Vermieter absehbar ist.“
Interview mit dem Geschäftsführer und Vorstandvorsitzenden des Hamburger Mieterverein RA Siegmund Chychla
SZENE HAMBURG WOHNEN + LEBEN: Einige Fälle wiederholen sich immer und immer wieder: Was ist im Hinblick auf „Ärger mit der Wohnung“ typisch Hamburg?
Aktuell kann man sagen, dass viele Hamburger gar nicht dazu kommen, „Ärger mit der Wohnung“ zu haben, weil sie leider keine finden können. Diejenigen, die das Glück hatten, eine Wohnung beziehen zu können, ärgern sich am meisten über Betriebskosten, Wohnungsmängel, Fragen der allgemeinen Wohnungsnutzung, Mieterhöhung und Mietkaution. Dies entspricht aber den durch den Deutschen Mieterbund bundesweit gemachten Erfahrungen.
Würden Sie uns einen Präzedenzfall schildern, der in Hamburg vor Gericht gelandet ist und einen weitreichenden überregionalen Einfluss hatte?
Spontan muss ich hier an zwei Fälle aus Hamburg denken, mit denen sich der Bundesgerichtshof beschäftigen musste. In dem ersten Fall hat das höchste Zivilgericht festgestellt, dass bei im Bestand neu ausgebauten Dachgeschosswohnungen die aktuellen Schallschutznormen gelten müssen. Der andere Fall, bei dem es um die Wohnfläche gegangen ist, hat mittelbar dazu geführt, dass der BGH seine Rechtsprechung geändert hat und nunmehr bei einer Mieterhöhung die tatsächliche und nicht die im Mietvertrag vom Vermieter angegebene falsche Wohnfläche zugrunde zu legen ist.
Die Erfahrung zeigt leider, dass berechtigtes Nachfragen für viele Vermieter als K.-o.-Kriterium angesehen wird.
Herr Chychla, Sie sind nicht nur Pressesprecher des Mietervereins zu Hamburg, sondern auch Vorsitzender und Rechtsanwalt. Wie bewerten Sie die juristische Lage der Wohnsituation vieler Hamburger?
In diesem Zusammenhang muss ich an die Gründungsväter unseres Vereins denken, die schon vor 125 Jahren die Notwendigkeit gesehen haben, sich gegen die „Vermieterwillkür“ zusammenzuschließen. Die Wohnungssituation heute wie damals zeichnet sich durch fehlenden preiswerten Wohnraum und die sich daraus,ergebende regelrechte Explosion der Mieten aus. So haben sich zum Beispiel die Neuvermietungsmieten in den letzten zehn Jahren um rund 50 Prozent erhöht und sind damit dreimal so schnell gestiegen wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Leider hat auch die neu eingeführte Mietpreisbremse den Anstieg der Mieten nicht dämpfen können. Die Neuvermietungsmieten von 12 Euro und mehr führen dazu, dass für Durchschnittsverdiener praktisch eine im Jahre 1860 für Hamburg aufgehobeneTorsperre neu entstanden ist. Aber auch Bestandsmieter müssen fürchten, dass der im November erscheinende neue Mietenspiegel Preise aufrufen wird, die sie auf mittlere Sicht nicht werden zahlen können.
Was sollten Hamburger grundsätzlich beachten, wenn sie auf Wohnungssuche sind, einen Mietvertrag unterschreiben wollen oder sich Streit mit dem Vermieter anbahnt?
Angesichts des knappen Wohnungsmarktes haben Menschen besonders mit kleinem und mittlerem Einkommen Probleme, eine Wohnung zu finden. Am einfachsten ist es, wenn sich Mieter in die Situation der Vermieter versetzen, und sich fragen, weshalb der Vermieter die Wohnung angesichts mehrerer Bewerber ausgerechnet an ihn vermieten soll. Wichtig dabei ist, dass man einen ordentlichen Eindruck vermittelt, die gewünschten Unterlagen zu den Personenangaben und den Einkommensverhältnissen bereithält. Überstürzen sollte man dabei nichts. Seriöse Vermieter werden einem Mietinteressenten genügend Zeit geben, damit dieser sich über die Konditionen des Mietvertrages Klarheit verschaffen kann. Vom Mietvertragsabschluss ist abzuraten, wenn Streit mit dem Vermieter absehbar ist. Sollte aber im Großen und Ganzen die Wohnung zusagen und die Konditionen des Mietvertrages annehmbar sein, ist nicht zu empfehlen, Diskussionen über die Miethöhe zu führen.
Die Erfahrung zeigt leider, dass berechtigtes Nachfragen für viele Vermieter als K.-o.-Kriterium angesehen wird. Erst wenn man die Wohnung sicher hat, kann mit Hilfe unserer Rechtsabteilung die erforderliche Klarheit herbeigeführt werden.
Gibt es etwas, das für Mieter tatsächlich grundsätzlich verboten ist, bei dem sich aber seit jeher die Annahme hält, dass es das nicht sei?
Unzutreffend ist die Annahme, man könne sich durch Stellung von drei Nachmietern aus langfristigen langfristigen Mietverhältnissen oder längeren Kündigungsfristen vorzeitig lösen. Das ist falsch! Verträge sind grundsätzlich einzuhalten. Nur eine beiderseitige Vereinbarung kann zur Verkürzung einer Kündigungsfrist mit oder ohne Nachmieter führen. Auch das sogenannte Abwohnen der Kaution beim absehbaren Auszug ist nicht zulässig. Auch wenn der Wunsch des Mieters, die Kaution bald möglich zurückzuerhalten, nachvollziehbar ist, ist der Vermieter zur Auszahlung erst nach dem Ende der Mietzeit verpflichtet. Der unzulässige Einbehalt der Mieten kann teuer werden, weil der Vermieter gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann, was mit hohen Anwalts- und Gerichtskosten verbunden ist.
/ Interview: Jenny V. Wirschky
In Hamburg haben 700.000 Mieterhaushalte Zugriff auf die unentgeldlichen Informationen des DMB. Über die Mieter-Hotline
040/87 97 9 34 5 und über die Homepage www.mietervereinhamburg.de können Mieter-Checks und Infoblätter eingesehen werden
§ Sadomaso-Nachbarn
Selbst die freie Liebe hat ihre Grenzen. So dachte jedenfalls eine latexintolerante Mieterin, die sich von dem Anblick der entsprechend gekleideten Besucher eines Sadomaso-Lokals in ihrem Mietsgebäude belästigt fühlte. Für sie Grund genug, eine niedrigere Miete zu verlangen, schließlich liege hier ihrer Auffassung nach ein Wohnungsmangel vor
/ Ulrich Thiele
Quelle: AG Hamburg, Urteil vom 23.03.2006 – 49 C 474/050
§ Orwell in Itzehoe
Die Welt ist gemein und alle sind gegen mich, dachte womöglich ein Hauseigentümer aus Itzehoe bei Hamburg und stattete seine Festung mit Videokameras, Bewegungsmeldern, Infrarotsichtgeräten und einem Graben voller Krokodile (nein, letzteres ist natürlich ein Scherz!) aus. Seiner Nachbarin gefiel die totale Überwachung überhaupt nicht, denn sie fühlte sich belästigt von der permanenten Kontrolle. Vor allem die Aufnahmen während des Vorbeigehens störten sie und so verklagte sie Big Brother vor dem Landgericht Itzehoe auf Unterlassung. Das Gericht zeigte zwar Verständnis für die Sorgen der Nachbarin, konnte aber keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch die Kameras erkennen. Da diese lediglich der Überwachung von Haus und Garten galten, konnte der Hauseigentümer seiner Paranoia weiterhin freien Lauf lassen.
/ Ulrich Thiele
Quelle: Az. 79 O 51/96
§ Zuhälterwagen
Dass „die Deutschen“ ihre Autos lieben ist ein schlimmes Stereotyp. Noch schlimmer ist es nur, wenn Klischee und Realität aufeinandertreffen. So geschehen in Harburg: Ein autofanatischer und offenbar überempfindlicher Vermieter kündigte seinem Mieter fristlos, weil dieser seinen heißgeliebten Chevrolet Corvette Stingray als „Zuhälterwagen“ bezeichnete. Ein Unding! Der Mieter allerdings wollte das nicht auf sich sitzen lassen und zog vor Gericht. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg entschied schließlich gegen den Vermieter. Begründung: „Zuhälterwagen“ sei viel mehr eine gängige Bezeichnung dieses Wagentyps als eine Beleidigung.
/ Ulrich Thiele
Quelle: AG Hamburg-Harburg WuM 97, 266
§ Kinderlärm
Eine Rote Karte für den Gegner zu fordern, wird beim Fußball vom Schiedsrichter mit einer Abmahnung bestraft. So ähnlich musste sich ein alteingesessenes Ehepaar gefühlt haben, als nach Jahren der friedvollen Ruhe plötzlich die Kinder der neu zugezogenen Nachbarn lautstark vor dem Hause Fußball spielten. Das Paar verlangte deshalb eine Mietkürzung um 20 Prozent, der Fall ging sogar vor den Bundesgerichtshof. Dieser entschied allerdings zulasten des Ehepaares und beschloss, dass lautstarke Lebensäußerungen zu akzeptieren seien, denn „Kinderlärm ist Musik“.
/ Ulrich Thiele
Quelle: Az.: VIII ZR 197/14
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