Es geht wieder los: Zum 16. Mal bietet das Comicfestival seinen Besuchern jede Menge spannende Geschichten von talentierten Künstler:innen – und endlich wieder ein prall gefülltes Programm. Vom 30. September bis zum 2. Oktober 2022 stellen Comiczeichner:innen an insgesamt 30 verschiedenen Orten auf St. Pauli, im Karoviertel und in der Neustadt ihre Arbeiten aus.
Dazu gibt es Lesungen, Gespräche, Signierstunden sowie zweistündige Spaziergänge. Hierbei werden Teilnehmende durch Ausstellungen geführt und erfahren mehr zu den Hintergründen der Werke. Bei Workshops können Comicbegeisterte selbst kreativ werden: Gemeinsam mit dem Zeichner Gabri Molist, der seine Arbeit „Walking Is A Form Of Drawing“ auf dem Festival präsentiert, kann jeder lernen seine eigenen Zeichnungen zu entwickeln.
Lokalmatadorin beim Comicfestival
Eine der diesjährigen Ausstellerinnen ist Marijpol (bürgerlicher Name: Marie Pohl). Die erste Teilnahme ist es für die erfahrene Zeichnerin nicht. Dennoch ist es jedes Mal etwas Besonderes, ihr kreatives Schaffen auf dem Hamburger Event vorzustellen. „Ich habe jetzt sechs Jahre an meinem aktuellen Comic gearbeitet. Ihn beim Comicfestival vorzustellen bedeutet mir viel, weil es da stattfindet, wo ich lebe und hier einzigartige und künstlerische Comics präsentiert werden“, sagt sie.
Ihre Leidenschaft für Comics kam während ihres Studiums der Visuellen Kommunikation und Illustration an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. „Geschichten habe ich schon immer gern gezeichnet, das Comiczeichnen zu nennen kam aber erst im Studium. Die Kombinationsmöglichkeiten von Wort und Bild erscheinen mir unendlich und ich empfinde eine große Freiheit darin sie zu gestalten“, sagt sie.
Frauenbilder und alternative Lebensentwürfe
Die Künstlerin verhandelt in ihrer jüngsten Arbeit „Hort“ viele Themen, die immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken: Frauen- und Familienbilder, körperliche Selbstbestimmung und alternative Lebensentwürfe. „Als ich mit der Arbeit an dem Comic anfing, war ich Mitte 30 – und viele Leute um mich herum waren schwanger. Mir fehlten aber Geschichten von Frauen, die dem Kinderkriegen ambivalent gegenüberstanden“, sagt die Wahl-Hamburgerin.
In ihrem Buch erzählt sie die Geschichte dreier unkonventioneller Frauen. Sie nehmen drei verlassene Kinder bei sich auf und stehen den Themen Elternschaft und Fürsorge ganz unterschiedlich gegenüber. In jeder einzelnen Figur, die sie erschafft, findet sich die Autorin wieder. „Das Großartige am Geschichten erzählen ist, dass ich verschiedenen inneren Stimmen Gestalt geben kann. Dinge, die ich an mir und anderen beobachte, kann ich in Szenen umsetzen und dabei viele Aspekte zu einem Thema aufzeigen, ohne mich für eine Perspektive entscheiden zu müssen.“
Körperliche Selbstbestimmung
Gleichzeitig verhandelt Marijpol das Thema körperliche Selbstbestimmung. Ihre optisch surrealen Figuren zeichnen sich durch eine markante Körperlichkeit aus, wie zu m Beispiel ein Schlangenbein. „Mir geht es dabei thematisch um freigewählte körperliche Attribute. Auch zeichnerisch interessiert mich das: Wie geht eine Frau mit Schlangenbein eine Treppe runter? Und wie läuft eine 2,20 Meter große Riesin durch einen Türrahmen? Das zeichnerisch umzusetzen ist ein Riesenspaß.“
Doch geht es Marijpol nicht nur darum, ihre eigene Arbeit zu präsentieren, sondern auch für sich etwas mitzunehmen. „Ich freue mich darauf, die Arbeiten anderer Künstler:innen zu sehen. Solche Events sind super wichtig, um selbst neue Inspirationen zu bekommen“, sagt sie.
Comicfestival: Die Favoriten der Autorin
Was die Künstlerin auf keinen Fall verpassen will? Zum Beispiel die Ausstellung des Berliner Zeichners Nino Bulling, der sein Graphic Novel „Abfackeln“ als einer der wenigen Comickünstler überhaupt auf der „documenta fifteen“ in Kassel ausgestellt hat. Darin erzählt er eine Beziehungsgeschichte, die von Selbstzweifeln und Identitätssuche geprägt ist.
Marijpol freut sich auch auf die prämierte Arbeit von Sheree Domingo und Patrick Spät. Die Zeichnerin und der Szenarist erklären in einem Gespräch, wie ihr gemeinsamer Comic „Madame Choi und die Monster“ entstanden ist. Das Duo erzählt darin die Geschichte von zwei Filmemacher:innen, die in den Siebzigern von Kim Jong-Il nach Nordkorea entführt wurden und dort gezwungen waren Filme zu drehen.
Weitere Ausstellungs-Highlights
Eines der Highlights des diesjährigen Festivals ist die Künstlerin Catherine Meurisse. Die Französin zeichnete und schrieb bis zum islamistischen Anschlag 2015 für das Satiremagazin Charlie Hebdo. Danach wurde sie mit ihrem autobiographischen Graphic Novel „Die Leichtigkeit“, in dem sie diese Geschehnisse verarbeitete, weltbekannt. Ihr neuestes Werk „Nami und das Meer“ ist ein Tribut der japanischen Kunst und Literatur.
Daneben ist auch die Hamburger Künstlerin Birgit Weyhe vertreten. Sie wurde für ihr aktuelles Buch „Rude Girl“ als beste Comickünstlerin des Jahres ausgezeichnet. Darin verhandelt Weyhe das Thema kulturelle Aneignung und erzählt die Geschichte einer US-amerikanischen Germanistikprofessorin, die als Schwarze nach ihrer Zugehörigkeit in der Welt sucht. Es wird also vielfältig dieses Jahr – da ist für jeden Geschmack was dabei.