Kiez-Portrait: Franca Cuneo

Sie ist Geschäftsführerin im Restaurant Cuneo. Ein Interview über die Bedeutung des Familienbetriebs für St. Pauli
Das Cuneo ist seit 120 Jahren eine feste Konstante auf dem Kiez. Mittlerweile führt Franca Cuneo das Familienrestaurant in dritter Generation
Das Cuneo ist seit 120 Jahren eine feste Konstante auf dem Kiez. Mittlerweile führt Franca Cuneo das Familienrestaurant in dritter Generation (©Johanna Zobel)

Meine Urgroßeltern kamen Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem Wanderzirkus nach Hamburg. Hier haben sie weiter Straßenmusik gemacht, bis sie irgendwann genug Geld zusammen hatten, um diese Räume hier anzumieten. Für mich ist das Restaurant Cuneo wie ein Familienmitglied. Es war immer da, immer Thema, immer wichtig für meine Familie. Immerhin leben wir alle davon. Erst nach meinem Jurastudium habe ich entschieden, das Restaurant zu übernehmen. Es hat eine unheimliche Faszination auf mich ausgewirkt – nicht nur die Gastronomie an sich, sondern auch das Nachtleben und all die unterschiedlichen Menschen. Wenn ich mich zurückerinnere, war der Kiez aus meiner Kindheit in den 1980er-Jahren ein bisschen dreckiger, hier waren weniger Bäume. Damals war ich nur tagsüber hier, abends haben meine Eltern mich nicht mitgenommen. Tagsüber war es ruhiger, es gab weniger Büros und weniger Lokale, die mittags Betrieb hatten. Der Kiez erwachte erst gegen Abend. Heute ist der Kiez tagsüber ein bisschen wie ein Dorf, während man sich abends mittlerweile wie in Disneyland fühlt. Da ist ein großer Unterschied zwischen Tag und Nacht.

Lange Tradition des Cuneo auf dem Kiez 

Ich glaube, für den Kiez ist das Cuneo eine totale Konstante. Es verbindet das Alte mit dem Neuen. Die Leute können hier immer einen Teller Pasta essen, ein Bier trinken oder einen Kaffee trinken, manche geben hier mal Pakete ab. Man vertraut uns, weil es uns seit 120 Jahren hier gibt und wir nie gegangen sind. Ich glaube, es ist auch wichtig für den Kiez, dass ein paar Eckpfeiler einfach bleiben. Das ist ja so, als würde die Davidwache umziehen – das wäre auch ziemlich merkwürdig!

Es gibt viele tolle und beeindruckende Momente, an denen ich merke, dass dieser Laden den Leuten am Herzen liegt und dass dieser Stadtteil zusammenhält. Ich erinnere mich noch gut an einen südamerikanischen Gast, der zu seinem 90. Geburtstag mit seinen Enkelkindern zu den Hafenstädten reiste, in denen er als junger Matrose angelegt hat. Sie kamen herein und hatten ein Foto aus den Fünfzigerjahren dabei, auf dem noch meine Tante als junge Frau hinter dem Tresen stand – bestimmt noch ganz minderjährig. Er hatte Tränen in den Augen, war so froh, dass es diesen Laden noch gab, weil er damals als Matrose hier war. Das sind tolle Momente!

Heute ist der Kiez tagsüber ein bisschen wie ein Dorf, während man sich abends mittlerweile wie in Disneyland fühlt

Franca Cuneo
Geschäftsführerin Franca Cuneo  (©Johanna Zobel)

Es gibt natürlich auch viele Schicksalsschläge auf dem Kiez. Wenn irgendeiner volltrunken, wahrscheinlich obdachlos, auf der Straße einschläft und einschneit, muss man einfach einen Krankenwagen rufen. Man darf da nicht dran vorbeigehen, nicht so abstumpfen, dass man die Leute nicht mehr sieht. Man muss wach, mitfühlend und gelassen bleiben bei manchen Sachen. In den letzten drei Jahren scheint mir das Nachtleben, also das, was den Kiez immer ausgemacht hat, unter der Woche fast gar nicht mehr existent. Man denkt, man ist irgendwo anders. Das ist eine Entwicklung, mit der komme ich noch nicht so gut klar. An die habe ich mich noch nicht gewöhnt, an die möchte ich mich auch gar nicht so gerne gewöhnen. Manchmal schaut man zwischen 21.30 Uhr und 22 Uhr raus und da ist kein Mensch mehr. Die Läden haben nicht mehr auf, alles ist zu, alles ist dunkel, keiner läuft mehr hier rum – da denkt man, man ist in Stellingen oder irgendeiner anderen Wohngegend. Ich hoffe, dass sich die Lage wieder verbessert. Es wäre schade, wenn sich ein so besonderer Stadtteil abschafft – durch Nachbarn, die sich ständig beschweren und Läden, die einfach nicht aufhaben, weil sie finden, dass es sich nicht mehr lohnt. Es ist sehr besonders, dass man auf dem Kiez nie das Gefühl hat, irgendwo unwillkommen zu sein. Das ist schön, das müssen wir uns echt erhalten.

Dieses Protokoll ist zuerst in SZENE HAMBURG 07/25 erschienen. 

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