Drei Männer in hellen Sommeranzügen legen sich abwechselnd mit weit geöffnetem Mund flach auf den Rücken, als erwarteten sie eine Wiederbelebung – oder eine Zahnbehandlung. Ob das eine oder das andere zutrifft, bleibt offen, beides passt. Denn der ungarische Schriftsteller Péter Nádas (82), dessen essayistischer Erfahrungsbericht „Der eigene Tod“ im Malersaal in der ungewöhnlichen Form einer gespielten Lesung unter der Regie von András Dömötör überzeugt, erlitt im April 1993 einen Herzinfarkt, nachdem er bei einem Zahnarztbesuch deutliche Vorzeichen bemerkt und ignoriert hatte. Die Folge: der eigene Tod.
„Der eigene Tod“: Mit vollem Körpereinsatz
Dreieinhalb Minuten lang ist Nádas nicht mehr von dieser Welt, dann wird er reanimiert und schildert in seinem verarbeitenden, philosophischen Text die Nahtoderfahrung, einschließlich der Vorgeschichte. Auf der Bühne wechseln sich Matti Krause (angemessen nervös und fahrig), Jan Thümer (aufgeregte Verbissenheit verkörpernd) und Markus John (sehr überzeugend, tiefgründig, forschend) im Vortrag ab, sprechen aber wichtige Sätze („Du entgehst deinem Schicksal nicht“) im Chor. Währenddessen spielen sie in der neuen, dauerhaften Malersaal-Kulisse aus flexiblen Gerüsten, die sich in Innen- und Außenräume verwandeln können (Bühne: Julia Oschatz), den Todestag nach.
Mit hohem Körpereinsatz stellen sie die Grenzerfahrungen vor dem Infarkt dar, etwa große Angst durch Luftmangel, starke Schmerzen und surreale Wahrnehmungen im Alltag. Als schließlich die Bühnenbeleuchtung stellvertretend für das Lebenslicht erlischt, kommen die drei Stimmen aus der Dunkelheit und folgen Nádas in die Zeitlosigkeit zwischen Dies- und Jenseits, wo Freiheit von Empfindungen und begrifflichem Denken herrscht, wo einstige Erlebnisse als abstrakte Bilder schweben und wo Gott durch Abwesenheit glänzt: „Licht ist für ihn die glaubwürdigste Metapher“.
„Der eigene Tod“, Deutsches Schauspielhaus (Malersaal), 1., 21. Dezember 2024 und weitere Termine
Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 12/2024 erschienen.