Filmkritik: „Die, My Love“

Porträt einer Ehe: radikal, erschütternd, herzzerreißend und von makabrer Komik
Könnten das Leinwandpaar des Jahres werden: Jennifer Lawrence und Robert Pattinson
Könnten das Leinwandpaar des Jahres werden: Jennifer Lawrence und Robert Pattinson (©MUBI SeamusMcGarvey NPB)

Während Grace (überragend: Jennifer Lawrence) und Jackson (Robert Pattinson) noch hemmungslos leidenschaftlich auf dem verdreckten Küchenboden vögeln, bewegt sich die Kamera durch den Wald in Richtung Zukunft: Bildgewaltig gehen riesige Bäume in Flammen auf. Das Paar hat sich entschieden, vom hektischen New York ins abgelegene, ländliche Montana umzuziehen. Das von Jacksons Onkel geerbte, baufällige und düstre Haus soll ihr kreatives Zentrum sein: Sie will einen neuen Roman schreiben, er Musik machen. Auf allen vieren kriechend, pirscht sich Grace durch das hohe Gras im Garten an das Objekt ihrer Begierde heran. Ihre Umarmungen explodieren vor wilder, ungezähmter Lebensfreude und animalischer Begierde. Die Zwei singen, tanzen, trinken ein Bier nach dem anderen, scheinen einander zu verschlingen. Und doch steckt auch schon jetzt etwas Forderndes, ungesund Besitzergreifendes in diesem surrealen Pas de deux der Rock-Ära. Die ausdrucksvolle Performance ist mehr als die übliche Leinwanderotik, ein fast voyeuristischer Blick ins intime Gefühlschaos der Protagonistin. Doch dann kommt das Baby, und mit der Geburt verschwindet die Zärtlichkeit und jene magische, sinnliche Unbeschwertheit. Der geplante Roman bleibt, wie alles andere, unerfüllte Sehnsucht, Grace bringt keine Zeile zustande: Tintenkleckse und Muttermilch vermischen sich auf dem Papier zu einem unheilvollen Kommentar auf Ehe und Mutterrolle. Jackson fährt oft in die Stadt, um zu arbeiten. Er liebt seine Frau, verstehen kann er sie nicht. Ihre Eifersucht, die Aggressivität und die brutale ostentative Gier nach Sex verstören ihn.

„Die, My Love“: Zwischen trügerischer Nähe und selbstzerstörerischer Gewalt 

„Die, My Love“ will die schottische Regisseurin und Drehbuchautorin Lynne Ramsay  („A Beautiful Day“) nicht ausschließlich als Drama einer Postpartalen Depression verstanden wissen. In fragmentarischen Splittern erzählt Ramsay im Wechsel zwischen Gegenwart und Zukunft von der trügerischen Nähe der Liebe und selbstzerstörerischer weiblicher Gewalt. Körpersprache und Soundtrack machen Dialoge oft überflüssig. Jedes Geräusch wie das Summen einer Fliege ist unbarmherzig laut, das nie enden wollende Schreien des Babys unerträglich – nicht nur für die junge Mutter, auch für uns Zuschauenden. Welcher Teufel hat Jackson geritten, der völlig überforderten Grace gerade nun einen ständig kläffenden Hund zu schenken?! Sie fordert von ihm, er solle das Tier erschießen. Als er sich weigert, greift sie selbst zum Gewehr. 

Das Plakat zum Film „Die, My Love“ (©MUBI SeamusMcGarvey NPB)

Der Trailer zum Film: 

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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/25 erschienen.

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