Die Theaternacht findet erstmals nur digital statt – und ist dadurch für jeden zugänglich. Ein Gespräch mit Matthias Schulze-Kraft, Vorstand des Hamburger Theater e.V., über das, was auf die Besucher zukommt
Interview: Dagmar Ellen Fischer
SZENE HAMBURG: Matthias Schulze-Kraft, die diesjährige Hamburger Theaternacht findet am 12. September erstmals virtuell statt. Am selben Abend bespielen indes fast alle Hamburger Theater ihre Bühnen live, wird es Kollisionen geben?
Matthias Schulze-Kraft: Aufgrund der Beschränkungen ist die Durchführung einer analogen Theaternacht 2020 nicht möglich. Gleichzeitig können die Bühnen nach der langen Schließzeit und den Beschränkungen der Platzkapazitäten auf keinen Spieltermin verzichten. Da nur etwa 30 Prozent des Publikums Platz in den Theatern finden, ist die virtuelle Theaternacht ein attraktives Angebot für die anderen 70 Prozent. Zudem kann man auf diese Weise von überall an der Theaternacht teilnehmen.
Wie viele Theater werden sich 2020 am digitalen Format beteiligen?
Wir gehen davon aus, dass alle 44 Bühnen dabei sind. Im Hamburger Theater e. V. haben sich fast alle professionellen Bühnen der Hansestadt zusammengeschlossen – von der Staatsoper bis zum Theater das Zimmer mit seinen 40 Plätzen. Ein solch einmütiger Zusammenschluss so vieler Theater einer Stadt, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ist einzigartig in Deutschland und wahrscheinlich weltweit.
Möglicherweise fehlen aber Häuser, weil es technisch nicht reicht, um diese Theaternacht umsetzen zu können?
Wir wollen auch die Häuser mitnehmen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen und sie entsprechend unterstützen. Auch in der virtuellen Theaternacht soll die gesamte Vielfalt abgebildet sein – das ist schließlich das Grundprinzip.
Es soll Live-Programme geben und solche on demand, wie muss sich der digitale Besucher das vorstellen?
Im Prinzip läuft es ähnlich ab wie die analoge Theaternacht: Von einem zentralen Ort aus – das war in den vergangenen Jahren der Jungfernstieg, dieses Jahr ist es www.theaternacht- hamburg.org – wo ein allgemeines Programm stattfindet, können sich die Gäste auf die Reise machen. 2020 nicht mit dem Bus, sondern mit der Maus. Auf der Website kann man in die virtuellen Räume der einzelnen Theater klicken, entweder den Routenvorschlägen folgen, etwa der musikalischen Route, oder einen eigenen Weg durch die virtuelle Theaterlandschaft finden.
Gibt es auch eine zentrale Bühne in diesem Jahr?
Ab 20 Uhr wird eine Live-Show gesendet, die wir im Schmidt Theater vor Live-Publikum produzieren. Zwei bekannte Moderierende werden interessante Talk-Gäste empfangen, besondere Highlights der kommenden Zeit vorstellen und immer wieder zu den „rasenden Reportern“ schalten, die sich zum Beispiel unter die Premierengäste im Thalia Theater mischen.
Diese Live-Ausschnitte sind nur in einem bestimmten Zeitfenster zu sehen, gefilmte Beiträge hingegen auch noch nach dieser Nacht?
Die Live-Sendungen, insbesondere die Show aus dem Schmidts, bleiben live, aber die virtuellen Theaterhäuser Theater 57 Lichthof- Indentant Matthias Schulze-Kraft mit ihrem Angebot werden über die Theaternacht hinaus online zu besuchen sein. Das können Mitschnitte besonderer Produktionen sein oder Einsichten in laufende Proben und Arbeitsprozesse: eine Führung durch die Unterbühne, Interviews, Programmpräsentationen und vieles mehr. Manche, wie das Lichthof Theater, senden ebenfalls live.
Durch diese Aktionen entstehen Kosten, aber die diesjährige Theaternacht ist kostenlos für die Besucher, woher kommt das Geld?
Tatsächlich haben wir uns entschlossen, die virtuelle Theaternacht kostenlos anzubieten. Denn es ist uns wichtig, möglichst vielen Besucherinnen und Besuchern zu zeigen: Wir sind wieder da! Auch im analogen Raum. Dies ist möglich durch großzügige Unterstützung der Hermann Reemtsma-Stiftung und der Behörde für Kultur und Medien.
Wie denkst du persönlich über die gravierenden Veränderungen im Genre Theater durch die weltweite Pandemie?
Die Corona-Zeit hat die Spanne der Repräsentationsformen von Theater erweitert. Theater ist nicht mehr allein analog denkund erlebbar. Eindrücke aus verschiedenen Theatern vor Ort vermischen sich mit virtuellen Inhalten. Dies verdeutlicht die Situation, in der sich die Theater während und wahrscheinlich nach Corona befinden – vielleicht unsere neue Normalität.
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, September 2020. Das Magazin ist seit dem 29. August 2020 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!