Festivaltagebuch: Daughterville 2016
Müsste man das diesjährige Daughterville-Festival in einem Wort zusammenfassen, es wäre wohl „entspannt“
Gleich der erste Rundgang auf dem Dockville-Gelände bietet ein so lockeres wie buntes Panorama: Vor der Poetry-Slam-Bühne sitzen die hauptsächlich jungen Festivalfans auf dem Rasen und lauschen gespannt den mal emotionalen, mal politischen und mal humorvollen Texten der Slammer. Auf den freien Flächen des Geländes liegen lachende Menschen in Gruppen verteilt herum und genießen das rege Treiben. Und vor der Butterland-Bühne tanzen losgelöst geschminkte Musikliebhaber zu Indie-, Rock- und HipHop-Klängen.
Blonde, braune, blau- und grüngefärbte Haare und Rastalocken fliegen durch die Luft, jede Menge Turnbeutel und Rucksäcke hüpfen auf den Rücken auf und ab, Bier schwappt aus den Bechern. Ja, das lütte Töchterchen des Dockville-Festivals in Wilhelmsburg, das jedes Jahr von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren organisiert wird, ist mittlerweile eine Institution und hat seinen knapp 1.500 Gästen allerhand zu bieten.
Das fängt schon bei der liebevollen Gestaltung des Geländes an: Abgedrehte Installationen stehen auf dem Gelände, Hüte hängen von einem Baum, in den ein kleines Baumhaus mit Blick auf die Hauptbühne eingebaut ist und daneben führt ein verwunschener Pfad durch ein kleines Wäldchen zu einer geheimnisvollen, versteckten Spielwiese umringt von Bäumen und Büschen.
Wer zur richtigen Zeit dorthin gefunden hat, dem bietet sich am frühen Abend ein kleiner Höhepunkt beim Geheimgig der Stuttgarter Band Rika. Bei besonders intimer Stimmung sorgen die Jungs mit ihrer Mischung aus Strand- und britischer Beat-Musik, New Yorker Rock und Jangle-Pop nicht nur für eine prall gefüllte Wiese, spätestens als das Quartett schnellere Beats rausholt und den Beatles-Hit „Twist and Shout“ performt, hält das bis dahin noch sitzende Publikum nichts mehr auf dem Boden.
Als die elektronischen Klänge von der Butterland-Bühne herüberschwingen und die ohne Mikrofon performten Songs von Rika übertönen, wird es schließlich Zeit, den Pfad zurück auf das Hauptgelände zu nehmen, um schon gleich den nächsten Höhepunkt geboten zu bekommen.
Nachdem die Australier Parcels mit ihrem Synth-Funk am Nachmittag bereits für Tanzstimmung sorgten, ziehen Giant Rooks aus Hamm nun alle Register. Der Bass vibriert, Elektronika perlt und der melodische Art-Pop-Sound fließt. „Unglaublich“, wiederholt Sänger Frederik Rabe immer wieder fassungslos grinsend angesichts des regen Zulaufs, ehe er seine Reibeisenstimme auf die energiegeladene Musik legt. Kein Wunder, dass sich nach dem Auftritt vor dem Merchandise-Stand bei der Autogrammstunde eine lange Schlange bildet.
Töricht, wer nun denkt, das Daughterville sei eine eskapistische, unpolitische Party. Hier findet man Stände von „Jugend gegen Aids“ und der Greenpeace-Jugend, selbstgemachte Bio-Pommes statt fragwürdig produziertem Junkfood, die berühmten Viva-Con-Agua-Tonnen für Pfandbecher und T-Shirts mit programmatischen Slogans wohin man schaut. Hier gehen politisches Bewusstsein, Liebe zu Kunst und Kultur sowie Feierlust Hand in Hand.
Selbst als der graue Himmel am Abend die typisch hamburgischen Schauer loslässt, will die Stimmung nicht einknicken. Manche packen ihre Regencapes aus, andere ziehen gleich ihre Schuhe aus und raven barfuß im Matsch zu den Techno-Beats des DJ-Duos Buttschaft. Hauptsache abgehen. Die Tochter hat vorgelegt, jetzt liegt es an der Mutter nachzuziehen!
Text & Fotos: Ulrich Thiele
Das Daughterville Festival fand am 16. Juli auf dem MS Dockville-Gelände in Wilhelmsburg statt
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