Filmkritik: Kill the Jockey 

Surrealer Mix aus Mafia-Thriller und Tragikomödie
Hat ordentlich was abbekommen: Jockey Remo (Nahuel Pérez Biscayart)
Hat ordentlich was abbekommen: Jockey Remo (Nahuel Pérez Biscayart) (©Rei Cine/Barraca) 

Remo Manfredini (Nahuel Pérez Biscayart) galt eigentlich als Star unter den Jockeys von Buenos Aires, aber zu lange hat er sich treiben lassen: Sein exzessiver Drogenkonsum und die immensen Schulden bei der Mafia drohen seine Karriere zu zerstören. Selbst seine schwangere Freundin Abril gibt ihrer Liebe höchstens eine Chance durch „Sterben und Wiedergeburt“. Was ironisch verächtlich klingt, bekommt später eine tiefere Bedeutung. Am Tag des erhofften Comebacks verliert der Jockey nach einem schweren Sturz nicht nur das Rennen, sondern auch sein Gedächtnis. Schwer verletzt irrt er durch die Straßen der Stadt, entwickelt, ohne sich dessen bewusst zu sein, eine neue Identität: Aus Remo wird Dolores. Unbeeindruckt davon setzt Gangsterboss Sirena seine Killer auf ihn an. Eine kuriose Verfolgungsjagd beginnt.

Filmplakat „Kill the Jockey“ (©Rei Cine/Barraca) 

Der argentinische Regisseur Luis Ortega torpediert in seiner genderfluiden Krimi-Farce schon den Ansatz psychologischer Erzählmuster, sogar die Handlung gerät gelegentlich zur Nebensache. Figuren sind weniger Charaktere als emotionale Projektionsfläche der existenziellen Themen. Der absurde Neo-Noir strotzt vor Wahnwitz, schwarzem Humor und schrägen Metaphern, religiösen Mythen und wundervoll inszenierten Tanzszenen. Ähnlich orientierungslos wie der Protagonist sind wir dem Taumel der Ereignisse ausgeliefert. Spürbar der Einfluss von Lynch, Godard, Fellini und Almodóvar. Die Rennbahn entwickelt sich zur ästhetisch virtuosen Schnittstelle zwischen Love-Story, Identitätssuche, Mafia-Milieu und Anspielungen auf Selbstjustiz und Folter während der Militärdiktatur. „Kill the Jockey“ erzählt von Transformation, Tod und Wiedergeburt. Der Zusammenstoß zwischen der inneren und äußeren Welt ist Ortegas Schlachtfeld. Was abstrakt klingen mag, präsentiert sich schrill, überhöht, und doch von zugleich fast erschreckender Selbstverständlichkeit wie jener Gangsterboss – immer mit einem Baby auf dem Arm, das scheinbar nie älter wird. Wir alle sind Komplizen unserer eigenen Unwissenheit – so sieht es zumindest der Regisseur. Nahuel Pérez Biscayart als wortkarger Jockey mit starrem Blick beherrscht virtuos die Facetten der Lächerlichkeit als Indiz innerer Verletztheit. Remo, ein Tramp im Stil von Charlie Chaplin, dessen wahre Herausforderung darin besteht, nicht den Verstand zu verlieren. 

Der Trailer zum Film: 

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