Filmkritik: „Mediterranean Fever“

„Mediterranean Fever“ unter der Regie von Maha Haj ist ein Thriller über eine Männerfreundschaft zwischen Komik und Tragik
Waleed (Amer Hlehel) und Jalal (Ashraf Farah) könnten unterschiedlicher nicht sein, dennoch entsteht eine besondere Freundschaft (©Pallas Film)
Waleed (Amer Hlehel) und Jalal (Ashraf Farah) könnten unterschiedlicher nicht sein, dennoch entsteht eine besondere Freundschaft (©Pallas Film)

Haifa, der palästinensische Familienvater Waleed (Amer Hlehel) ist chronisch depressiv, der Mittvierziger träumt von einer Karriere als Schriftsteller. Verzweifelt starrt er Tag für Tag auf seinen leeren Computerbildschirm, bringt keinen Satz zustande, kümmert sich jedoch pflichtbewusst um Haushalt und Kinder. Mit dem Auftauchen eines mysteriösen neuen Mieters verändert sich alles schlagartig in dem sonst so ruhigen Haus mit Blick aufs strahlend blaue Meer.

Jalal (grandios: Ashraf Farah), von Beruf Kleinganove mit großen Schulden und zwei furchteinflößenden Rottweilern, hört ständig lautstark schmalzige Pop-Balladen, klingelt nach Mitternacht gern an der Tür, um sich etwas auszuborgen. Auch er ist Mitte 40, aber charmant, relaxt und gastfreundlich. Politik lässt ihn kalt, voller Genugtuung konstatiert er, dass sie beide auf Kosten ihrer Ehefrauen leben. Waleed hasst ihn anfangs, doch die Neugier überwiegt, er bittet den aufdringlichen Nachbarn, ihn auf dessen kriminellen Touren begleiten zu dürfen zwecks Recherche für seinen angeblichen Kriminalroman. Bald sind die beiden unzertrennliche Freunde.

Eine visuell virtuose Inszenierung

„Mediterranean Fever“ von Maha Haj, seit dem 4. Mai 2023 im Kino (©Pallas Film)
„Mediterranean Fever“ von Maha Haj, seit dem 4. Mai 2023 im Kino (©Pallas Film)

Maha Haj („Personal Affairs“) bezeichnet sich selbst als „zutiefst melancholische Filmemacherin mit einem gewissen Sinn für Humor“. Visuell virtuos inszeniert sie die Beziehung der nur scheinbar so gegensätzlichen Männer als Spiegel für die Frustration der Palästinenser – jenes erdrückende Gefühl von Gefangenschaft, unabhängig ob im Gazastreifen oder im Exil. Haifa steht hier nicht für die Co-Existenz zwischen Juden und Arabern, sondern für eine historisch nie verheilte Wunde.

Herrlich die lakonischen, schwarzhumorigen Dialoge. „Mediterranean Fever“ birgt viele Geheimnisse genau wie seine Akteure. Dass Waleed einen Auftragskiller sucht, verblüfft nicht nur den Freund. Erst im Finale entfaltet der Film voll seine absurde Tragik. Für die in Nazareth geborene Regisseurin verkörpern die beiden Protagonisten keine toxischen Feindfiguren, sondern Antihelden, Außenseiter: zerbrechlich, traurig, den eigenen seelischen Abgründen hilflos ausgeliefert.

„Mediterranean Fever“, Regie: Maha Haj. Mit Amer Hlehel, Ashraf Farah, Anat Hadid. 108 Min. Seit dem 4. Mai im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 05/2023 erschienen.

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