Filmkritik: Sirât

Pre-apokalyptisches Roadmovie als radikal-spirituelle Grenzerfahrung
Verloren im Nichts, auf der Flucht vor dem Krieg
Verloren im Nichts, auf der Flucht vor dem Krieg (©Moviestar +)

Ein illegaler Rave in der marokkanischen Wüste unterhalb gewaltiger Bergmassive: Aus aufeinandergetürmten Verstärkern schallt rauer Techno, die Körper der Tanzenden bewegen sich in Trance wie losgelöst von der Realität. Dazwischen taucht immer wieder ein älterer grauhaariger Mann (Sergi López) mit einem Stapel Fotos in der Hand auf, die er herumzeigt. Sein Name ist Luis, er fährt in Begleitung seines zwölfjährigen Sohns Esteban von Rave zu Rave, sucht seine Tochter Mar, die vor fünf Monaten nach einer dieser nie enden wollenden nächtlichen Partys spurlos verschwand. Dann rückt plötzlich Militär an, EU-Bürger werden festgenommen. Radionachrichten berichten vom Kriegsausbruch. Luis schließt sich einigen Ravern an, die mit ihren zerbeulten Geländewagen aus dem Pulk ausbrechen in die Berge. Es entsteht eine Gemeinschaft der Verstümmelten und Verletzen, entschlossen zum Überleben – wenn auch noch mit verschiedenen Zielen. Jeder Meter des steinigen Wegs hinauf kann den Tod bedeuten, drohen doch die unförmigen Fahrzeuge in die Tiefe zu stürzen. Sirāt, jener haardünne Übergang zwischen Hölle und Paradies, gibt dem Oeuvre seinen Titel.

Filmplakat „Sirat“ (©Moviestar +) 

Der spanische Regisseur Óliver Laxe („Fire Will Come“) versetzt sein Publikum in eine Welt unwiderruflicher Auflösung: Natur, Länder, Grenzen, Überzeugungen, aber auch die Handlung selbst. Der Druck auf die Beteiligten wächst, ihre Vergangenheit liegt im Dunklen. War es bewusste Flucht vor westlicher Trägheit und Ignoranz? Es mehren sich die Momente von überwältigender, fast gnadenloser Authentizität, nichtsdestotrotz bleiben sie konstruktiv in ihrer Selbstreflexion – gerade gegenüber dem Tod. Nur das Überleben lässt sich nicht in diesem metaphysischen Endzeitepos erzwingen. „Sirât“ sperrt sich ästhetisch wie inhaltlich gegen jeder Art der Vorhersehbarkeit. Ein wenig erinnert es vielleicht an Millers „Mad Max“-Reihe oder Antonionis „Zabriskie Point“. Der stark metaphorisch durchsetzte Film (in Cannes mit dem Jury-Preis ausgezeichnet) hebt gegen Schluss immer mehr ab: Gedanken und Übersinnliches entladen sich in Schüben, während Kangding Rays zunehmend minimalistischer Soundtrack mit den grobkörnigen 16mm-Bildern der Schauplätze zur einer puristisch-hypnotischen Klanglandschaft fusioniert. 

Der Trailer zum Film 

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