Filmkritik: „Sleep With Your Eyes Open“

„Sleep With Your Eyes Open“ von Regisseurin Nele Wohlatz ist eine sanfte Tragikkomödie, die einen neuen Blick auf das Leben in der Fremde wirft
Auf Postkarten notiert Xiaoxin (Chen Xiao Xin) ihre Eindrücke aus der Fremde – und hinterlässt sie dem Vertragsarbeiter Fu Ang (Wang Shin-Hong) (©Grandfilm/Victor Juca)
„Sleep With Your Eyes Open“ läuft ab dem 13. Juni 2024 in den Kinos (©Grandfilm)

Basierend auf eigenen Erfahrungen ist Regisseurin Nele Wohlatz („The Future Perfect“) mit „Sleep With Your Eyes Open“ ein poetischer Film über ein häufig verklärtes Thema gelungen: das Leben im Ausland. Bei der gebürtigen Hannoveranerin stehen philosophische Aspekte im Vordergrund. Wer oder was bleibt in einer neuen Stadt, in einem fremden Land? Macht uns ein Ortswechsel zu anderen Menschen? Und welche Spuren hinterlassen wir, wenn wir wieder gehen?

Diese Fragen stellt sich auch Xiaoxin (Chen Xiao Xin) in der brasilianischen Küstenstadt Recife. Aus Argentinien kommt sie dorthin, um ihrer Tante zu helfen, die einen erfolgreichen Importhandel betreibt. Hier wohnt sie zusammen mit chinesischen Vertragsarbeitenden im 18. Stock eines schicken Hochhauses mit Meerblick. Einer von ihnen ist Fu Ang (Wang Shin-Hong), dem Xiaoxin ihre Postkarten hinterlässt, worauf sie all ihre Eindrücke und Gedanken niedergeschrieben hat. Durch Zufall gelangen diese Notizen in die Hände von Kai (Liao Kai Ro), die mit gebrochenem Herzen von Taiwan nach Recife gereist ist. Obwohl sie Xiaoxin nie begegnet ist, findet sie sich in den Aufzeichnungen wieder. Sie zeigen unter anderem die Krux einer globalisierten Welt, in der es einfacher geworden ist, zu reisen und zu Reichtum zu kommen, aber auch Entfremdung und Entwurzelung zunehmen.

„Sleep With Your Eyes Open“ erinnert an Sofia Coppolas „Lost in Translation“

Mehrsprachigkeit ist dabei nicht nur Teil der Handlung, sondern genauso Stilmittel, um diesen Gegensatz hervorzuheben: Xiaoxin spricht mit den Vertragsarbeitenden Mandarin, schreibt ihre Notizen auf Spanisch, versteht aber kein Portugiesisch. Das führt teilweise zu subtil lustigen Missverständnissen, die manchmal an Sofia Coppolas „Lost in Translation“ erinnern. Eine weitere Parallele: In beiden Filmen liegen die Hauptfiguren nachts oft schlaflos – mit offenen Augen – wach. Dagegen erscheinen bei „Sleep With Your Eyes Open“ viele Szenen am Tag dank der starken Bildgestaltung von Roman Kasseroller beinahe traumartig weichgezeichnet. Auch Xiaoxins Auftreten wirkt irgendwann nur noch wie ein Traum, denn die Figur verschwindet einfach aus der Handlung – ein Twist der Regisseurin, um klassische Erzählstrukturen zu hinterfragen. /

„Sleep With Your Eyes Open“, Regie: Nele Wohlatz. Mit Chen Xiao Xin, Wang Shin-Hong, Liao Kai Ro. 97 Min. Ab dem 13. Juni 2024 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 06/2024 erschienen.

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