Da ist dieser Moment. Der vieles auf den Punkt bringt. Es ist Mai 2018. Der HSV steht kurz vorm ersten Abstieg aus der Bundesliga. Und auf einmal singt das ganze Stadion dieses Lied. „Mein Hamburg lieb ich sehr“ ist keine Hymne auf den Club, den Fußball, nein. Der Song ist eine Liebeserklärung an die Stadt. Fängt in einfachen Worten etwas ein, das mitnimmt. Uns, die wir hier geboren, aufgewachsen oder zugezogen sind. Etwas, das diese Stadt besonders macht. Nennen wir es Hamburg-Gefühl. Wir wollen diesem Gefühl, das nach salziger Seeluft und Franzbrötchen schmeckt, das nach Hafenkränen und dem Tuten der Alsterdampfer klingt, nachspüren. Uns auf eine Reise durch diese Stadt begeben, die mehr geliebt wird als andere. Aus so vielen Gründen. Leinen los!
Eine Reise durch Hamburg: Startpunkt, die Landungsbrücken
Denn was ist mehr Hamburger DNA als Wasser? Alster, Elbe, Bille, all die Kanäle. Nicht zu vergessen die Nähe zu Nord- und Ostsee. Starten wir unseren Trip durch die Stadt also an den Landungsbrücken, wo die Fähren Einheimische und Besucher der Stadt übers Wasser tragen. Und Barkassen ablegen, um noch das kleinste Fleet in der Speicherstadt zu erkunden. Das Fischbrötchen und die Knolle Bier in der Hand, lässt sich hier Hamburg prima fühlen. Mehr als zehn Millionen Fahrgäste zählt die HADAG, das Tochterunternehmen der Hochbahn, pro Jahr. 27 Schiffe sind auf der Elbe unterwegs, acht Linien und 18 Anleger gibt es. Und es sind keineswegs nur Touristen, die die Fähren nutzen. Auch Hamburger schätzen es, mit der schon legendären Linie 62 zum Preis einer einfachen Fahrkarte mal eben über den Fluss ins beschauliche Finkenwerder zu schippern. Tolle Blicke auf Hafen, Elphi, Övelgönner Museumshafen und das Treppenviertel von Blankenese inklusive.
Zu Fuß durch die Speicherstadt in Hamburg
Zurück am Anleger nehmen wir zu Fuß Kurs auf die Innenstadt, vorbei am gerade erst vor der Insolvenz geretteten Dialoghaus in der Speicherstadt. Hier können Menschen auch weiterhin nachempfinden, wie es ist, mit einer Seh- oder Hörbehinderung zu leben. Ein Hamburger Vorzeigeprojekt. Wie das nicht weit entfernte Miniatur Wunderland. Und die neue Mega-Mall, das Westfield Hamburg-Überseequartier, die 2025 in der HafenCity ihre Pforten öffnete und der modernste Shopping-Tempel der Stadt ist. Wir bummeln an Kontorhäusern vorbei durch die zauberhafte Deichstraße, in der einige der besten Restaurants der Stadt zu finden sind, in Richtung Rathausplatz. Unser Ziel? Die Binnenalster. Denn die Elbe ist nicht die einzige Möglichkeit, das spezielle Hamburg-Gefühl vom Wasser aus zu spüren. Die weiße Flotte gehört zur Stadt wie die Zitronenjette, Wasserträger, Hans Hummel und Uwe Seeler. 1859 nahm die „Alster“ als erstes Dampfschiff den Linienbetrieb auf.
Die Boote verbanden die Innenstadt mit den Villenvierteln rund um die Außenalster und galten bald als wichtiger Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs. Mit dem Ausbau von Straßenbahn und Bus verlor die Flotte im 20. Jahrhundert an Bedeutung. Geblieben ist ihre Rolle als touristische Attraktion. Heute fahren moderne Schiffe auf der Alster, es wird zunehmend auf emissionsfreien Antrieb gesetzt, doch historische Dampfer wie die „St. Georg“ von 1876 erinnern an die Anfänge dieser besonderen Hamburger Tradition. Zur Flotte gehören aktuell 15 Alsterdampfer, zwei davon sind Cabrios. Wer schon einmal zu abendlicher Stunde auf einem unterwegs war, kann dem besonderen Zauber der Stadt gut nachspüren.
Hamburg fühlt sich an wie ein Atemzug nach einem Sturm
Michael Otremba, Hamburg Marketing
Einem Zauber, dem offenbar viele verfallen. Denn laut einer Studie des Instituts YouGov sind die Hamburgerinnen und Hamburger ihrer Stadt besonders stark verbunden. Bei einer repräsentativen Umfrage zur regionalen Identität und Verbundenheit geben 82 Prozent der Befragten an, mit ihrem Wohnort „eher stark“ oder „sehr stark“ verbunden zu sein – so viele wie nirgends sonst im Lande. Auch bei der Frage nach der Verbundenheit zum Bundesland kommt der Stadtstaat an der Elbe auf 81 Prozent starke oder eher starke Verbundenheit und damit im Länderranking ebenfalls auf den Spitzenplatz.
Wir fragen Michael Otremba, Chef von Hamburg Marketing, was für ihn das besondere Hamburg-Gefühl ausmacht. Seine Antwort klingt fast schon poetisch: „Hamburg fühlt sich an wie ein tiefer Atemzug nach einem Sturm – klar, kraftvoll, ein bisschen melancholisch, aber voller Möglichkeiten. Die Stadt berührt nicht laut, aber sie bleibt.“ Otremba, zu dessen Lieblingsorten der Alte Elbtunnel und das schwimmende Café in Entenwerder gehören, erkennt eine besondere Mentalität. „Die Menschen hier sind hanseatisch geprägt – also eher zurückhaltend, aber gleichzeitig sehr herzlich, zuverlässig und selbstbewusst.“ Es brauche nicht viele Worte, aber wenn man etwas zusage, dann gelte es. Dieses Gefühl von Vertrauen und Bodenständigkeit sei typisch. Gleichzeitig sei Hamburg weltoffen: als Hafenstadt seit Jahrhunderten geprägt von Begegnungen, Handel und Internationalität. Diese Mischung aus bodenständig und ehrlich, aber auch neugierig und offen für die Welt, mache die Stadt einzigartig,
Nächster Halt, die Außenalster
Doch weiter auf unserem kleinen Städtetrip. Wir nehmen die U-Bahn, die hier eben nicht nur im Untergrund unterwegs ist, fahren über das 1912 fertiggestellte Viadukt aus Stahl. Unter uns wimmelt und wuselt es. Der Isemarkt ist ebenfalls ein guter Ort, dem Hamburg-Gefühl nachzuspüren. Machen wir ein andermal. Stattdessen starten wir den rund sieben Kilometer langen Marsch um die bei Joggern so beliebte Außenalster. Der führt uns am ehemaligen amerikanischen Konsulat vorbei auf die Lombardsbrücke mit ihrem tollen Blick auf die Innenstadt. An pompösen Anwesen am Ostufer vorbei geht es zurück nach Eppendorf, mit seinen vielen sanierten Jugendstil-Bauten.
Hier muss man sich das Leben leisten können. Das Hamburg-Gefühl hat unweigerlich auch mit finanziellen Rahmenbedingungen zu tun. Geht es um das Durchschnittseinkommen, liegt die Stadt aktuell im Vergleich der Bundesländer noch vor Hessen, Baden-Württemberg und Bayern an der Spitze. Rund 52.000 Euro brutto werden im Durchschnitt verdient. Eine Zahl, die nicht abgekoppelt betrachtet werden darf von der Anzahl der Einkommensmillionäre, deren Dichte an Alster und Elbe höher ist als vielen anderen Städten in Deutschland. Mehr als 1500 Menschen haben Einkünfte von mehr als einer Million Euro im Jahr. Sie zahlen rund 1,7 Milliarden Euro Einkommenssteuer, das sind rund 15 Prozent der gesamten Steuer, die der Fiskus eintreibt. Hamburg ist also eine wohlhabende Stadt. Was sich im Stadtbild bemerkbar macht. Verschwiegen werden soll nicht, dass ein Großteil der Beschäftigten erheblich weniger verdient.
So erzielt die Hälfte der Steuerpflichtigen laut Statistikamt nur ein Einkommen von maximal 32.072 Euro pro Jahr. Es gibt fraglos eine Schere zwischen Arm und Reich. Da sind die Elbvororte mit ihren großen Villen. Und es gibt Quartiere wie in Billstedt oder Mümmelmannsberg, die mit Betonriesen aufwarten. Manchmal, etwa in Eimsbüttel mit seiner Lenzsiedlung, die direkt an Einzelhaus-Bebauung grenzt, geht das auch zusammen. Gegensätze, die das Hamburg-Gefühl speisen. Die Stadt ist vielfältig, abwechslungsreich und nicht frei von Brüchen.
Hamburg als Muse für Songs, Memes und Trends
Es gibt unzählige Memes, Reels und Geschichten über unsere Stadt, die es ins Netz schaffen. Mit Leuten, die sich herrlich norddeutsch, also breit im Slang und knapp in der Aussage artikulieren. Und etliche Songs. Ob vom alten Albers, vom Eppendorfer Jan Delay, der Hamburg-City wieder auf die Karte bringt. Oder von Sting, der in seinem Police-Stück „Low Life“ schon in den 1970ern das raue Kiezleben beschrieb, das damals von GMBH und Nutella-Bande dominiert wurde. Es gibt herrlich runtergerockte Clubs und die imposante Elphi als Konzerthaus von Weltformat. Und Fragen, die sich wirklich nur Hamburger stellen. Etwa die, ob Holsten oder Astra ins Glas gehört. Dass beide Biermarken mittlerweile aus einem Konzern kommen, der in Dänemark sitzt – (ein)geschenkt!
Und dann ist da noch die Gastro. Hamburg ist reich an Restaurants, vom Drei-Sterne-Tempel The Table des Starkochs Kevin Fehling bis zum grandios unterschätzten Balkangrill auf der Schanze. Wir machen auf unserer Tour halt vor einem neuen Gastro-Leuchtturm, der ganz besonders weit strahlt. Der Grüne Bunker mit seinen Restaurants, dem Hotel und den vielen Pflanzen hat es gar auf eine Liste der „New York Times“ geschafft, die besondere Reiseziele aufführt. Ein echter Hingucker und ein neues Wahrzeichen, wo einst ein grauer Klotz seinen Schatten aufs Millerntorstadion warf.
Wir sind Metropole, dennoch herrscht keine Großstadtanonymität
Cornelia Poletto, Hamburger Star-Köchin
Tim Mälzer, Christian Rach, Christoph Rüffer – Hamburg hat jede Menge Top-Gastronomen zu bieten. Und eine Köchin, die dank TV-Präsenz längst bundesweit bekannt ist. Wir fragen Cornelia Poletto, was das spezielle Hamburg-Gefühl für sie ausmacht. „Einfach Heimat. Wir sind zwar eine Metropole, aber dennoch herrscht hier keine kalte Großstadtanonymität“, sagt die gebürtige Hansestädterin, die auch mit ihrem Zirkus-Koch-Programm Palazzo große Erfolge feiert. Warum Hamburgs Gastronomie so besonders ist? „Weil die Gäste nirgends treuer und loyaler sind als hier. Über Generationen hinweg. In Hamburg wird Omis 90. Geburtstag nicht selten im selben Restaurant gefeiert wie die Taufe der Enkelin.“
Feiern in der Hansestadt und das ihren zahlreichen Events
Apropos feiern: Hamburg feiert gern. Auf dem Dom, beim Schlagermove oder dem CSD geht die Luzie ab. Und zwar ganz gleich, ob rain or shine. Keineswegs ist das sprichwörtliche Schietwetter ein Dauerzustand. Rund 1650 Sonnenstunden im Jahr sind gar nicht so schlecht. Im Mai und Juni scheint die Sonne sogar durchschnittlich neun Stunden täglich. Da wird die oft von der Nordsee wehende Brise zur willkommenen Erfrischung.
Einen besonderen Kick in Sachen Hamburg-Gefühl gibt es 2025 natürlich für Fußballfans. Schließlich spielen erstmals seit 2011 mit dem Kiezclub und den Rothosen wieder zwei Clubs in der ersten Bundesliga. Das gibt’s in Deutschland nirgends. Und die Begeisterung sprengt Grenzen, Volkspark und Millerntor sind ausnahmslos ausverkauft. Eine Stadt, zwei Vereine – dieser Slogan trifft es dennoch nicht so richtig. Denn Amateurfußball hat bei uns ebenfalls seine Fans.
Weltoffenheit und die Tatsache, dass Geld und Sozialdemokratie sich nicht beißen müssen
HSV-Legende Richard Golz beschreibt sein Hamburg-Gefühl
Zum Beispiel bei Altona 93 an der Griegstraße, wo wir unsere Reise fortsetzen und wo ein früherer Bundesliga-Torwart des Hamburger SV anzutreffen ist. Richard Golz engagiert sich für den Stadtteilverein, dessen erste Mannschaft in der Regionalliga kickt. Oft vor großem Publikum, denn bei 93 ist die Identifikation mit dem Verein besonders groß. Was ist das Geheimnis dahinter? „Die große Verbundenheit vieler Idealisten, die sich enorm engagieren und ihr Biotop hegen und pflegen, weil jeder um die Besonderheit weiß und seinen Teil dazu beitragen möchte, dass der Club, ein Unikum bleibt, das im Rahmen der Möglichkeiten mit der Zeit geht“, sagt Golz, der in Berlin geboren wurde, bevor es ihn als junger Mann zum HSV zog. Was für ihn das spezielle Hamburg-Gefühl ausmacht? „Weltoffenheit, Heimatliebe und die Tatsache, dass viel Geld und Sozialdemokratie sich nicht immer beißen müssen“, antwortet Golz, der mit dem Alten Elbtunnel, dem Miniatur Wunderland, dem Sachsenwald und natürlich der Adolf-Jäger-Kampfbahn ganz persönliche Hotspots im Stadtgebiet hat.
Das Quatier in Mitte Altona: Wohnprojekte und soziale Initiativen
Nicht weit entfernt von der Kampfbahn, wo Altona 93 seine Heimspiele austrägt, geht unsere Reise weiter. Denn hier, unweit des alten Kopfbahnhofs, wird Hamburg als wachsende Stadt greifbar. Mitte Altona nennen die Menschen das Quartier, das seit 2018 entstanden ist. Hier gibt’s zuhauf inklusive Wohnprojekte, soziale Initiativen und einen Zusammenhalt unter Anwohnern, die sich auf der großen Wiese oder zum Feierabendbier vor der Blauen Blume treffen. Heute wird grad ein Sommerfest gefeiert und wir fragen Alexandra Klauk, die in den 90ern aus Berlin nach Hamburg kam, was das Wohnen im neuen Stadtteil ausmacht. Seit knapp fünf Jahren lebt sie im inklusiven Wohnprojekt Stadtdorf-Altoja. „Unser Name spiegelt wider, was und wie wir hier leben. Autoarm, mitten im Herzen Hamburgs bejahen wir die Großstadtl und freuen uns, dass wir dennoch dorfähnlich und ruhig leben“, sagt die 53-Jährige. „Man kennt, schätzt und hilft sich gegenseitig.“ Es gebe viele Nachbarschaftsinitiativen, die unterstützend agieren. Durch die mittig gelegene Parkanlage mit ihren Wellness-Plätzen und Spiel- und Sportangeboten sei immer was los im Quartier. „Und von den vielen begrünten Dachflächen hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt und den Hafen – das verzaubert zu jeder Tages- und Jahreszeit.“
Dass Hamburg nicht nur für seine Bewohner besonders ist, dokumentieren aktuellste Tourismus-Zahlen. Mit 7,7 Millionen Übernachtungen von Januar bis Juni erreichte das erste Halbjahr 2025 ein Plus von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zimmerauslastung von 74,7 Prozent unterstreicht das. „Hamburg ist eine der beliebtesten Destinationen Europas“, freut sich Wirtschaftssenatorin Dr. Melanie Leonhard.
Nächster Halt: der Stadtpark mit einem malerischen Blick auf das Planetarium
Nach einem Abstecher in den Stadtpark mit der zauberhaften Freilichtbühne und seinen großen Wiesen, auf denen gegrillt und gekickt wird, und die schon von Weltstars wie Bowie, Pink Floyd und den Stones bespielt wurden, sind wir bereit für den Schlussakkord unserer Suche nach dem Hamburg-Gefühl. Noch einmal geht’s in der Bahn übers Viadukt. Landungsbrücken raus, wie Marcus Wiebusch von der Band Kettkar singt. Ein paar hundert Meter am Fluss entlang, landen wir am Fischmarkt, mit all seinen Kneipen und der architektonisch beeindruckenden Auktionshalle. Hier, wo in diesem Jahr der Genuss-Michel, Hamburgs wichtigster Gastropreis, verliehen und das Jing Jing zum besten Restaurant der Stadt gekürt wurde, endet unsere Reise. Mit Blick auf die Elphi, die Hafenkräne und Blohm+Voss. Wir haben das Hamburg-Gefühl gesucht. Und wir haben es gefunden. An so vielen Ecken der Stadt. Kopfhörer auf und noch einmal reingehört in das Lied, das 2018 ein ganzes Stadion sang: „Ich hab noch ein paar Bier dabei Und setz’ mich an die Pier Die Schiffe und der Lichterglanz, ich denke so bei mir: Mein Hamburg lieb ich sehr“. Ja, wir fühlen es.
Weitere Eindrücke von Hamburg in Bildern:
Dieser Artikel war Teil der SZENE HAMBURG Ausgabe „Das Hamburg Gefühl“

