Hamburger Theater Festival: Gastspiele de luxe

Klassiker der Weltliteratur, Seltenes von bekannten Namen und noch zu Entdeckendes, die diesjährige Ausgabe des Hamburger Theater Festivals bietet große Vielfalt
Radikal reduziert: „Macbeth“ vom Schauspielhaus Bochum (©Armin Smailovic)

Aus 51 von Intendant Dr. Nikolaus Besch gesichteten Produktionen schafften es acht, 2024 nach Hamburg eingeladen zu werden. Das ausschließlich aus privaten Geldern finanzierte Festival findet in diesem Jahr zum 16. Mal statt. Sieben der Gastspiele sind an je zwei aufeinanderfolgenden Abenden im Schauspielhaus, Thalia Theater und St. Pauli Theater zu sehen, das Finale gastiert an nur einem Tag auf Kampnagel.

„Was ich unbedingt zeigen wollte, hat geklappt“, so Besch. Auch, wenn es mitunter Geduld erforderte: Thomas Ostermeiers legendäre Inszenierung „Richard III.“ aus dem Jahr 2015 wird im Schauspielhaus zu sehen sein – mit dem charismatischen Lars Eidinger in der Titelrolle des berüchtigten, gewissenlosen Verführers. Als zweiter Shakespeare-Klassiker kommt „Macbeth“ nach Hamburg, von Regielegende Johan Simons am Schauspielhaus Bochum inszeniert: Seine Version des blutrünstigen Dramas braucht nur drei namhafte Darsteller: Jens Harzer, Marina Galic, Stefan Hunstein.

Caroline Peters und Martin Wuttke in „Gefährliche Liebschaften“

Publikumslieblinge locken auch in weiteren Stücken: Zur Eröffnung lassen sich Caroline Peters und Martin Wuttke auf „Gefährliche Liebschaften“ ein, in einem aufregenden Format zwischen Lesung und Spiel, das dem wortgewaltigen Text entspricht und von Regisseur Jan Bosse für die Bühne eingerichtet wird. Ähnlich in der Präsentationsform ist auch die inszenierte Lesung mit Sibel Kekilli; sie lässt den aufsehenerregenden Text des jüdischen Autors Michel Friedman lebendig werden: „Fremd“, autobiografisch geprägt, erzählt von einem Kindheitstrauma der Nachkriegszeit in Deutschland. 

Für den Regisseur Ulrich Rasche wurde der Begriff „Überwältigungstheater“ kreiert, genau das gelingt ihm in seiner Inszenierung „Agamemnon“, verfasst vom griechischen Dichter Aischylos circa 500 Jahre v. Chr. Rasches Deutung des antiken Dramas lebt insbesondere von betörenden Bildern und einer „genialen Schauspielmusik“, die von der Kritik ausdrücklich lobend erwähnt wird. 

„Die Vaterlosen“ von Jette Steckel und ein Faust-Gewinner als Finale

An den Münchner Kammerspielen inszenierte die Hamburger Regisseurin Jette Steckel „Die Vaterlosen“ von Anton Tschechow; die Produktion erhielt das Prädikat „todkomisch“. Das weniger populäre Frühwerk des russischen Autors ist auch unter dem Titel „Platonow“ bekannt. Anlässlich dieses Gastspiels gibt es ein Wiedersehen mit Joachim Meyerhoff und Wiebke Puls, die noch einmal auf die Bühne des Schauspielhauses zurückkehren.

Endlich wagte es jemand, die Ursache für einen der berühmtesten Scherbenhaufen des Theaters beim Namen zu nennen: In Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“ geht es um (versuchten) Missbrauch, begangen vom Dorfrichter Adam. Den spielt Ulrich Matthes mit dem Ensemble des Deutschen Theaters Berlin unter Anne Lenks Regie. Sie lässt die Charaktere Klartext reden, beraubt die berühmte Komödie dennoch nicht ihrer typischen Komik. 

Das Finale übernimmt „Johann Holtrop – Abriss der Gesellschaft“. Die Dramatisierung nach dem gleichnamigen Bestseller von Rainald Goetz erhielt 2023 den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“. Regisseur Stefan Bachmann inszeniert Aufstieg und Fall eines bekannten Managers mit klar erkennbaren Parallelen zur noch lebenden Person, doch bei ihm übernimmt eine ausschließlich weibliche Besetzung die Rollen in der machtbesessenen Männerwelt. 

Einführungen von den Regieführenden am jeweils ersten Aufführungsabend erleichtern den Zugang: Ulrich Rasche, Jette Steckel, Thomas Ostermeier und Stefan Bachmann öffnen die Türen zu ihren Bühnenwerken.

Hamburger Theater Festival: St. Pauli Theater, Deutsches Schauspielhaus, Thalia Theater, Kampnagel, 25. Mai bis 24. Juni 2024

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