„Himmel und Erde“

Theater Hamburg ERLA PROLLIUS

Die 76-jährige Regisseurin Erla Prollius inszenierte im Lichthof Theater ein poetisches und humorvolles Stück darüber, wie man über das Sterben zum Leben findet

SZENE HAMBURG: Du inszenierst seit 16 Jahren ausschließlich am Lichthof, was ist so besonders an diesem Ort?

Erla Prollius: Ich habe mich in dieses Theater verliebt, weil ich erleben konnte, wie es mit viel Sorgfalt von Maryn Stucken (Gründerin und bis 2008 Künstlerische Leiterin des Lichthof Theaters, Anm. d. Red.) aufgebaut wurde. Meine erste Arbeit hier war „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ von Fassbinder, und inzwischen ist das Theater mein zweites Zuhause.

Wie kamst du als Schauspielerin mit Engagements in Zürich, Bremen und am Hamburger Thalia Theater auf den Regiestuhl?

Durch meine Schüler. Ich liebe die Lehrtätigkeit, und die angehenden Schauspieler sind ja gewissermaßen auch noch Anfänger mit geringer Spielerfahrung. Ich mag das Gebrochene, den Zwischenbereich, dieses Nicht-Wissen, wenn wie hier Leidenschaft mit Talent zusammenkommt. Das reizt mich viel mehr als so ein abgefahrener Stadttheater-Schauspieler.

Im Mai feiert die Autorin des Stücks, Gerlind Reinshagen, in Berlin ihren 90. Geburtstag mit Claus Peymann und dem Berliner Ensemble, du nur einen Tag später in Hamburg die Premiere …

Das ist Zufall. Ich kenne dieses Stück schon sehr lange, das 1974 von Claus Peymann uraufgeführt wurde und Theatergeschichte schrieb. Über meine in Berlin lebende Schwester, die ebenfalls Schriftstellerin und mit Gerlind Reinshagen befreundet ist, habe ich die Autorin nun kennengelernt. Diese Frau ist mit 90 so vital! Ich habe das Stück wegen der humorvollen und poetischen Sprache gewählt.

Humorvoll? In „Himmel und Erde“ dreht sich alles ums Sterben.

Ja, eine einfache Frau, eine Eisverkäuferin, verändert sich, nachdem sie das Todesurteil in Form einer Diagnose bekommen hat. Zuerst erzählt sie, was sie alles noch tun müsse, doch wenn sie ehrlich wäre, wüsste sie, dass sie dann längst unter der Erde sein wird. Sie wird mit einem jungen Mann im Rollstuhl konfrontiert, dessen Zukunft im Gegensatz zu ihrer nicht limitiert ist, und aus lauter Frustration macht sie ihn nieder. Doch plötzlich setzt sie sich mit dem Jenseits auseinander und stellt Fragen, die sehr poetisch sind. Und wenn sie in ihre Vergangenheit schaut, in der sie Männer regelrecht sammelte, dann hat sie auch vulgäre Sprüche drauf, und die sind klug und witzig.

Sich im Zwischenreich von Dies- und Jenseits zu bewegen ist eine extreme Herausforderung für die Protagonistin.

Ich hatte gleich eine klare Vorstellung von der Hauptfigur, und wenn meine erste Wahl nicht bereit gewesen wäre, hätte ich das Stück nicht gemacht. Die Figur der Eisverkäuferin und Christine Korfant, die sie verkörpern wird, sind Seelenverwandte und starke Frauen. An ihrer Seite spielt Martin Westhof den Mann im Rollstuhl und Eva Engelbach begleitet die beiden am Klavier.

Aber es gibt kein Entrinnen?

Sie stirbt, und er ist mit ihrem Tod völlig überfordert. Zuvor besaufen sie sich, graben noch einmal ihre jeweiligen Talente aus und sagen: „Der Mensch hat so viele Möglichkeiten!“ Die schlichte, aber lebenskluge Frau macht eine Läuterung durch, erlebt eine Katharsis und findet ihre Würde. Sie freut sich zwar nicht auf den Tod, aber sie kann mit ihm leben. l

Interview: Dagmar Ellen Fischer
Foto: Philipp Schmidt

Das Stück „Himmel und Erde“ feierte am 5.5. im Lichthof Theater (Bahrenfeld) Premiere

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