„Wenn am Mittwoch wieder Blumen für die Frauen gekauft werden, dann ist die Idee des Internationalen Frauentags verfehlt“, sagt Lisa Schaumann, Leiterin der Geschäftsstelle des Landesfrauenrats Hamburg e. V. Der 8. März gilt seit 1975 offiziell als Internationaler Frauentag. An diesem Tag sollen vor allem Missstände in Bezug auf Gleichstellung der Frau sichtbar gemacht und Gesellschaft und Politik zum Handeln aufgefordert werden. In Hamburg und auf der ganzen Welt gehen an diesem Tag Menschen mit diesem Anliegen auf die Straße.
Der Unterschied ist immer noch zu groß
Denn die strukturellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind nach wie vor groß. Nicht umsonst wird der 8. März auch als feministischer Kampftag bezeichnet. Ein Beispiel für die unfaire Behandlung der Geschlechter ist der sogenannte Gender-Pay-Gap, zu dem das statistische Bundesamt seit 2006 für Deutschland Daten erhebt. Demnach verdienten Frauen 2022 in Hamburg mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von 22,19 Euro 4,96 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen (27,15 Euro). Auf diese Lohnlücke macht jährlich neben dem 8. März auch der Equal Pay Day aufmerksam, 2023 ist das der 7. März. Er markiert den Tag, bis zu dem Frauen 2023 praktisch unbezahlt gearbeitet haben, obwohl sie die gleiche Arbeit wie Männer leisten, die bereits seit dem 1. Januar bezahlt werden.
Die Ursachen für diese Ungleichbehandlung sind vielfältig. So arbeiten Frauen oftmals in schlechter bezahlten Berufen, wie etwa in der Pflege oder als Erzieherin. Außerdem bleibt ihnen oft immer noch der Weg in Führungspositionen verwehrt. Dazu Lisa Schaumann: „Wenn wir uns die Verteilung der Gehälter und der Sorgearbeit anschauen, ist die wirtschaftliche Gleichberechtigung von Frauen noch lange nicht in Sicht.“
Die Pandemie als Rückschritt
„In der Pandemie hat sich einmal mehr gezeigt, wie geschlechter-stereotyp die Rollen zwischen Frauen und Männern immer noch verteilt sind“, sagt Schaumann weiter und verweist damit auf einen vermeidlichen Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung. Viele Frauen sind in dieser Zeit bei den Kindern zu Hause geblieben, während die Männer arbeiten gegangen sind.
Auch 2023 definieren die gesellschaftlichen Wertevorstellung die Rollen von Frauen und Männern. Manifestiert werden diese vor allem immer noch durch Bücher, Filme und Werbung – auch wenn hier ein gegenläufiger Trend erkennbar ist. Dazu kommt eine systematische Bevorteilung wie beispielsweise durch das aktuell in der Diskussion stehende Ehegattensplitting.
„Feminismus dient der ganzen Gesellschaft“
Diesen klassischen Rollenbildern steht der Feminismus entgegen. „Feminismus dient der ganzen Gesellschaft – nicht nur Frauen“, sagt Lisa Schaumann. Denn es ginge darum, dass alle Menschen immer eine Wahl hätten und nicht von der Gesellschaft vordefiniert werden. Und auch wenn Männer wirtschaftlich weniger von den aktuellen Strukturen betroffen sind, so leiden auch sie unter Stereotypisierung. Denn nicht alle Männer fühlen sich beispielsweise in der Rolle des Ernährers wohl und deswegen sind auch sie am 8. März gerne bei den Kundgebungen anlässlich des Weltfrauentags gesehen. „Feminismus bedeutet letztendlich Freiheit für alle“, sagt Schaumann.
Aktiv werden
In Hamburg wird am 8. März 2023 an vielen Stellen demonstriert, hier kommen einige der zahlreichen Veranstaltungen:
- In Harburg gibt es von 11 bis 13 Uhr die „Revolte zum Internationalen Frauentag!“. Dabei ziehen Stelzenfrauen mit Musik durch die Harburger Fußgängerzone.
- Von 11 bis 19 Uhr gibt es zum Internationalen Frauentag freien Eintritt in die Ausstellung „Gabriele Münter. Menschenbilder.“ im Bucerius Kunst Forum
- „International Woman in Power“ von der Kulturbrücke Hamburg e. V. ruft um 13:30 Uhr zum „Woman’s March“ ab dem Gänsemarkt auf.
- Das „Hamburger Bündnis 8m“ demonstriert ab 16 Uhr bis 19 Uhr unter dem Motto „Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt“. Die Demonstration startet am Besenbinderhof und endet mit einer Kundgebung auf dem Rathausmarkt.
- Im Körber-Forum wird um 19 Uhr zum Thema „Female Futures: Auf dem Weg zur Gleichberechtigung?“ diskutiert.
- Von 19 bis 21 Uhr gibt es einen Film mit Vortrag und Diskussion zum Thema „Vom langen Kampf um Anerkennung des Leids lesbischer NS-Opfer“ bei der Stiftung Kultur Palast Hamburg, veranstaltet von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.
- Das Knust veranstaltet ab 20 Uhr eine Sonderausgabe ihrer Partyreihe 365 Fe*male Night. Mit dabei sind Lia Şahin aka the Mistress of Ceremony, Tan0ne, Lizzn, Âlice und mehr.
Doch auch über den 8. März hinaus ist feministisches Engagement in Hamburg möglich, beispielsweise bei einem der knapp 60 Mitgliedsverbände des Landesfrauenrats. Denn der Kampf für Gleichberechtigung und Anerkennung aller Menschen geht weiter – und zwar auf den Straßen der Stadt und nicht in den Blumenläden.