Yuko Kuhn: „Ich habe Japan nicht nur im Herzen, sondern in der DNA“

Nachdem die Münchnerin Yuko Kuhn einen Workshop von Regisseurin Dorris Dörrie besucht hat, fing sie mit dem Schreiben an. Nun, fünf Jahre später, ist mit „Onigiri“ ihr daraus entstandener Debütroman erschienen 
Autorin Yuko Kuhn ©Peter-Andreas Hassiepen
Autorin Yuko Kuhn ©Peter-Andreas Hassiepen

SZENE HAMBURG: Ich habe gelesen, dass dein Vorname Yuko „liebenswertes Kind“ bedeutet. Wenn ich deine Eltern fragen würde: Warst du ein solches?

Yuko Kuhn: „Ko“ bedeutet Kind, die Silbe steckt in vielen japanischen Namen: Yuko, Yoko, Akiko, Miwako, Kyoko, Yumiko … für die Silbe „yu“ gibt es verschiedene Kanji (Schriftzeichen). Mein Kanji steht für Anmut. Unabhängig davon würden meine Eltern mit Sicherheit sagen, dass ich ein liebeswertes Kind war.

Yuko Kuhns Schreibrausch entfachte durch ein Workshop bei Doris Dörrie

Zum Schreiben bist du, wie ich gelesen habe, über die Regisseurin Doris Dörrie gekommen. Wann war und wie kam das?

Als ich 2019 begonnen habe, am Lehrstuhl für „Creative Writing“ von Doris Dörrie an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film zu arbeiten, habe ich bei einem ihrer Schreib-Workshops mitgemacht. Ich bin darüber richtiggehend in eine Art Schreibrausch gekommen. Spät abends, wenn die Kinder im Bett waren, habe ich wochenlang viele kleine Miniaturen geschrieben, eine führte assoziativ zur nächsten.

Hast du davor gar nicht geschrieben oder nur nicht „ernsthaft“?

Davor habe ich gar nicht geschrieben. Es war nie mein Wunsch, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen. Ich habe aber schon immer sehr viel gelesen. Bücher sind mir, seit ich lesen kann, Trost und Halt. Meine gesamte freie Zeit verbringe ich mit Lesen.

Ging dir das Schreiben von „Onigiri“ ansatzweise leicht von der Hand oder musstest du dir das Buch hart erarbeiten?

Es war leicht und hart zugleich. Ich hatte zu Beginn meines Schreibens keine Idee, wie „Onigiri“ am Ende aussehen könnte. Ich wusste nur, dass die Mutter-Tochter-Beziehung im Fokus stehen würde. Dieses feste und gleichzeitig so fragile Band wollte ich erforschen – vielleicht, weil mir im echten Leben meine Mutter immer mehr in die Demenz entgleitet. Der Stoff war schnell da und floss leicht aufs Papier, aber bis er als Roman funktioniert hat, sind über fünf Jahre vergangen.

Ich bin über meine Mutter auf sehr positive Weise mit Japan verbunden

Yuko Kuhn

Du bist in München geboren, deine Mutter – der du das Buch ja auch widmest – stammt aber aus Japan. Du hast nach dem Studium zehn Monate in der Kulturabteilung des Goethe Instituts Tokyo als Praktikantin gearbeitet, dein Debütroman heißt „Onigiri“ und Japan spielt darin eine zentrale Rolle. Wie wichtig ist für dich deine japanische Seite?

Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen, die alleinerziehend war. Sie hat Japanisch gesprochen mit meinem Bruder und mir, japanische Lieder gesungen, japanisch gekocht, wir waren auch regelmäßig bei unserer Familie in Japan. Da ich nie viel Zeit in der Heimat meiner Mutter verbracht habe, war für mich klar, dass ich nach dem Studium endlich für länger dort hingehen wollte. Ich bin über meine Mutter auf sehr positive Weise mit Japan verbunden. Wie dies im Alltag sichtbar wird? Ich trinke nur grünen Tee, nie Kaffee. Reisbrei mit Umeboshi am Morgen esse ist so selbstverständlich wie eine Butterbreze. Ich habe Japan nicht nur im Herzen, sondern in der DNA. Ein Stück Japan wurde in mich eingepflanzt.   

Und deine japanische Seite hat offenbar auch Einfluss auf deinen kreativen Output – das hast du mit Doris Dörrie gemein. Habt ihr euch darüber ausgetauscht?

Tatsächlich gibt es einen gemeinsamen kreativen Output, das Butoh-Tanzstück „A woman’s work is never done“. Doris und ich haben es 2017 gemeinsam mit Aya Irizuki, der Butoh-Tänzerin aus dem Film „Kirschblüten – Hanami“, in München auf die Bühne gebracht.

Zwischen den Kulturen, Aki und die Geschichte hinter dem Titel 

Im Klappentext zum Buch heißt es, du würdest „mit sanfter Klarheit die faszinierende Geschichte einer deutsch-japanischen Familie entstehen lassen, die zwischen den Kulturen verloren geht und sich neu findet“. Wie viel Autobiografisches steckt in diesem Satz und inwiefern?

Für mich geht es gar nicht so sehr darum, dass die Familie sich „zwischen den Kulturen“ verliert, sondern viel mehr um die individuelle Verlorenheit jeder einzelnen Figur aus dem Roman. Natürlich habe ich durch meinen persönlichen Hintergrund aber Anknüpfungspunkte an die Welt in meinem Roman. Nur darum konnte ich ihn schreiben.

Was mir gut gefällt, ist, dass man in deinem Roman viel über Japan erfährt, man als Leser eben mit auf die Reise dorthin geht. War das von deiner Seite von vornherein so intendiert?

Das war nicht meine Absicht zu Beginn, sondern hat sich darüber ergeben, dass Aki, die Erzählerin, eben aus diesen beiden Welten kommt und daraus erzählen kann. Für Aki ist die Heimat ihrer Mutter einerseits ein sentimentaler Ort, weil sie wenig dort ist und den Teil ihrer Familie vermisst, andererseits ist es auch der Ort, an dem sie ihre Mutter neu entdeckt und sich verwurzeln kann. Den Lesern ein Fenster zu öffnen in diese Welt, über die Gewohnheiten des Taxifahreronkels, den gedeckten Esstisch oder auch das Verhalten der Mutter in Deutschland, ihre andere Denkweise, finde ich schön. Vielleicht wird der japanische Charakter verständlicher.

Warum heißt dein Buch „Onigiri“?

Yuko Kuhn: „Onigiri“ ist bei Hanser Berlin erschienen (©Hanser Berlin)

Dass ich meinen Text „Onigiri“ nennen möchte, wusste ich schon sehr früh. In den ersten Wochen, als ich an den Miniaturen schrieb, habe ich die Szene geschrieben, in der Aki sich nach der Geburt ihres ersten Kindes Onigiri von ihrer Mutter wünscht und enttäuscht wird. Die Szene steht für den gesamten Mechanismus in der Mutter-Tochter-Beziehung, die im Zentrum des Romans steht. Nachdem ich es getippt hatte, habe ich eine Abbildung von einem Onigiri auf das Deckblatt meines Word-Dokument gesetzt. Mein Text lief fünf Jahre unter diesem Titel, bevor der Buchvertrag endlich zustande kam und der Verlag glücklicherweise mit dem Titel einverstanden war. 

Yuko Kuhn: „Was mich erdet, sind mein Mann und unsere drei Kinder“

Bist du sehr aufgeregt, dass es dein Buch nun zu kaufen gibt?

Seit Mai 2024 habe ich den Buchvertrag und Zeit zu begreifen, was da gerade passiert. Meistens freue ich mich einfach, gleichzeitig verunsichert mich das Erscheinen des Textes auch: Mein Text gehört nun nicht mehr nur mir alleine. Was mich erdet, sind mein Mann und unsere drei Kinder. Im Alltag geht es die meiste Zeit nicht um meinen Roman, das ist gut so!

Lesungen abhalten ist eine eigene Kunstform

Yuko Kuhn

Im Zuge der Veröffentlichung stehen auch einige Lesungen an. Als Mutter von drei Kindern bist du Vorlesen sicher gewöhnt, dennoch: Bereitest du dich irgendwie darauf vor?

Meinen Kindern lese ich seit zehn Jahren täglich vor, aber Lesungen abhalten ist ja eine eigene Kunstform. Ich habe eine tolle Stimmtrainerin, Ruth Geiersberger. Sie war auch schon in Japan und es ist ein großes Geschenk, mit ihr zu arbeiten. Ihr wichtigster Rat: Das Lesen auskosten, jedes Bild in mir und dadurch bei den Zuhörenden entstehen lassen, den Mut haben, sich diese Zeit zu nehmen. An all die Jahre und die Liebe denken, die in diesem Text stecken und ihn auch so vorlesen.

Wenn du drei japanische Dinge/Ideen/Traditionen nennen müsstest, die auch hierzulande jeder kennen sollte, welche wären das?

Tatami-Zimmer, Badehaus, schönes Papier.

In Anbetracht, dass du mit Doris Dörrie eine prominente Fürsprecherin hast, die zudem eine Liebe für Japan hegt: Habt ihr schon über eine Verfilmung von „Onigiri“ gesprochen?

Haha, darüber haben wir noch nicht gesprochen. Und wenn mir ein Buch wirklich „heilig“ ist, sehe ich mir den Film, ehrlich gesagt, nicht an, sondern behalte lieber meine eigenen inneren Bilder davon. Aber ich hoffe sehr, dass Doris, ganz unabhängig von mir, wieder einen Film in Japan drehen wird!

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