SZENE HAMBURG hat die neue Citymanagerin Miriam „Mimi“ Sewalski in einem Café in der HafenCity getroffen. An diesem grauen, typisch hamburgischen Tag sticht Mimi mit ihrer auffällig roten Kleidung ins Auge. „Ich dachte, bei dem Wetter muss ich einfach etwas Kontrastreiches tragen“, sagt sie lachend. Schnell wird klar: Mimi ist eine Visionärin, die neue Akzente setzen wird. Nicht nur im Gespräch, sondern auch in ihrer neuen Rolle zeigt sie sich offen und optimistisch.
SZENE HAMBURG: Mimi, du warst zuvor CEO beim Avocadostore. Wie kam es zu dem Wechsel ins Citymanagement?
Mimi Sewalski: Nachdem Avocadostore verkauft wurde, hat es für mich dort nicht mehr gepasst. Nach ein paar Monaten Auszeit und Reisen, habe ich die Stellenausschreibung interessanterweise über ChatGPT gefunden – ja, wirklich! Zusätzlich haben mir auch Menschen aus meinem Umfeld gesagt: „Das könnte gut passen.“ Auf der Suche nach einer neuen Aufgabe habe ich schnell festgestellt, dass ich nicht die typische Geschäftsführerin bin und keine reine CFO-Rolle möchte, also nicht nur Zahlen, Daten, Fakten. Ich wollte gestalten, mit Menschen arbeiten und Vielfalt in meinen Aufgaben. Deshalb fand ich die Position im Citymanagement sofort spannend und habe mich beworben. Und dann ging eigentlich alles ganz schnell. Die Gespräche verliefen sehr offen und ehrlich, und wir hatten schnell das Gefühl: Das passt.
Welche Parallelen siehst du zwischen deinen Aufgaben beim Avocadostore und dem Citymanagement?
Was auf jeden Fall eine große Parallele ist, ist das Netzwerken. Avocadostore ist ein nachhaltiges Unternehmen und war – wie die Nachhaltigkeitsbranche – noch klein und wir sind gemeinsam gewachsen, weil wir uns gut vernetzt und verknüpft haben. Das war eine meiner wesentlichen Aufgaben. Die zweite Parallele ist der Handel: Hier im richtigen Moment voneinander lernen, sich auszutauschen und sich für gemeinsame Themen einzusetzen ist im Onlinehandel genauso wichtig wie im stationären Handel oder zum Beispiel in der Innenstadt. Ich denke, es wird auch im Citymanagement wichtig sein, Impulse zu geben und gemeinsame Lösungen zu schaffen.
Mein Ziel ist, einen Konsens zu finden, Impulse zu geben und den Austausch zu fördern
Mimi Sewalski
Was verstehst du persönlich unter „Citymanagement“ und welche zentralen Aufgaben umfasst die Stelle aus deiner Sicht?
Ich stehe ja noch ganz am Anfang und kann gar nicht genau sagen, was sich in den kommenden Wochen oder Monaten alles entwickeln wird. Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Dinge zeigen und was sich vielleicht auch noch ändert. Vielleicht lesen wir das Interview in einem Jahr noch mal, und dann rufe ich euch an und sage: „Ah, da möchte ich noch was ergänzen.“ Wenn man neu ist, empfiehlt sich ein 100-Tage Plan: beobachten, verstehen, gestalten und danach kontinuierlich weiterentwickeln. Ich bin natürlich immer im Sinne unserer Mitglieder unterwegs und da ist es jetzt spannend, gemeinsame Ideen zu entwickeln und diese dann auch umzusetzen. Je mehr Perspektiven und Vielfalt, desto besser dann irgendwann auch das Resultat für die Stadt. Ich möchte als Vermittlerin agieren, eigene Ideen einbringen, Menschen zusammenbringen, Lösungen bündeln und die City, wie auch HafenCity, als attraktiven, lebendigen Raum gestalten – analog wie digital.
Hamburgs Innenstadt: Vielfältiger Erlebnisraum
Welche konkreten Projekte planst du für die Innenstadt, und wie könnten digitale Tools oder KI dabei unterstützen?
Ich denke in erster Linie an einen analogen Raum, der echte Begegnungen, Erlebnisse und Atmosphäre schafft. Aber natürlich können digitale Instrumente dabei unterstützen, Dinge umzusetzen, die sonst vielleicht gar nicht möglich wären – sei es aus finanziellen oder organisatorischen Gründen. KI kann helfen, Menschen durch die Stadt zu leiten oder Informationen zugänglicher zu machen. Ich denke da etwa an digitale Stadtführer oder Apps, die Menschen mit Behinderungen zeigen, welche Wege barrierefrei sind oder welche Orte sich gut erreichen lassen. Auch Familien mit Kinderwagen stoßen auf ganz praktische Hürden – solche Rückmeldungen bekomme ich öfter, seit mein Umfeld weiß, dass ich Citymanagerin bin. Und dann sage ich immer: Leute, ich bin Citymanagerin, nicht Bürgermeisterin (lacht). Aber ja, das sind wertvolle Hinweise, denn nur wenn man solche Dinge weiß, kann man auch Lösungen finden. Solche digitalen Projekte kann und will ich natürlich nicht allein umsetzen, dafür braucht es Kooperationen, Netzwerke und auch entsprechende Budgets. Aber genau da sehe ich Potenzial: Technologie kann helfen, die Innenstadt lebendiger zu gestalten – auch über den reinen Handel hinaus. Eine Innenstadt, die nur vom Einkaufen lebt, hat es in Zukunft schwer. Gastronomie, Kultur und Kunst machen den Stadtraum erst richtig lebendig. Ich wünsche mir, dass die Innenstadt ein Ort wird, an dem man nicht nur shoppt, sondern gerne Zeit verbringt, verweilt, inspiriert wird. Und was mir besonders Spaß macht: der Blick über den Tellerrand. Deswegen habe ich auch richtig Lust drauf, mit anderen Citymanagerinnen und -managern, nicht nur aus deutschen Städten, mal in den Austausch zu gehen und so vielleicht gemeinsam neue Impulse zu finden.
Wenn du in die Zukunft blickst: Wo siehst du Hamburgs Innenstadt in fünf Jahren?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil ich noch nicht mit allen Akteurinnen und Akteuren gesprochen habe und das finde ich wichtig, um eine gute Antwort geben zu können. Also: alles unter Vorbehalt. Wenn ich aber in die Zukunft blicke, wünsche ich mir eine Innenstadt, die lebendig ist. Eine Innenstadt, in der Menschen gerne Zeit verbringen, nicht nur tagsüber zum Einkaufen, sondern auch abends. Es gibt so viele Orte und Möglichkeiten, die man dafür nutzen kann. Ich habe zum Beispiel in diesem Jahr das Binnenalster Filmfest zum ersten Mal erlebt – das war einfach wunderschön. Solche Formate, die Menschen zusammenbringen, die Atmosphäre schaffen, wünsche ich mir mehr. Ein anderes großes Thema ist der Leerstand. Mein Mann lebt in Ansbach, einer kleinen Stadt bei Nürnberg, und dort sieht man, was passiert, wenn zu viele Geschäfte schließen. Das hat Auswirkungen auf das gesamte Stadtbild und auf das Lebensgefühl. Für Hamburg möchte ich das unbedingt vermeiden. Wenn Leerstände entstehen, sollten wir sie kreativ nutzen: mit Pop-ups, Kunstprojekten oder Konzepten, die Neues ausprobieren. Und ganz grundsätzlich wünsche ich mir, dass Hamburgs Innenstadt in fünf Jahren vielfältig bleibt – mit großen Marken, aber auch mit kleinen, individuellen Läden, die das Stadtbild prägen. Denn nichts wäre trauriger, als eine Hamburger Innenstadt, die ihren einzigartigen Charakter verloren hätte.

Es ist, als wären die Konturen schon da und jetzt geht es darum, sie mit Leben und Farbe zu füllen
Mimi Sewalski
Was genau macht für dich den besonderen Reiz an der Innenstadt aus?
Für mich sind das Geschäfte, die man sonst selten findet, zum Beispiel ein Geschäft für Tropenbedarf oder eine Hutspezialistin. Also Traditionsläden neben kreativen, modernen Konzepten und großen Kaufhäusern. Diese Vielfalt ist das, was eine Stadt einzigartig macht und Hamburg hat da wirklich viel zu bieten. Es ist kein Entweder-oder, sondern immer ein Sowohl-als-auch. Wenn man diese lebendige Mischung mit dem Kulturangebot, der Gastronomie, Kunst und dem Tourismus verbindet, dann entsteht eine lebendige, vielfältige Stadt, die nicht nur Hamburgerinnen und Hamburger, sondern auch Menschen aus dem Umland oder anderen Städten wie zum Beispiel Kopenhagen anzieht. Hamburg ist außerdem eine Stadt, in der Musik eine große Rolle spielt. Wenn wir davon noch mehr in die Innenstadt bringen könnten, wäre das großartig. Es ist, als wären die Konturen schon da und jetzt geht es darum, sie mit Leben und Farbe zu füllen. Und natürlich: Wenn ich Leute frage, warum sie nach Hamburg kommen, sagen fast alle zuerst „wegen des Hafens“. Dieses Hafengefühl spürst du aber auch in der City. Es gibt Fischbrötchen, es gibt maritimes Flair, es gibt einfach diese besondere Atmosphäre – und das hat wirklich nicht jede Stadt. Hamburg ist eine weltoffene Metropole – auf ihre ganz eigene, ehrliche Art.
Citymanagement: Herausforderungen von heute und morgen
Welche aktuellen Herausforderungen siehst du für die Hamburger Innenstadt, und wo setzt du deine Prioritäten in der Anfangsphase?
Viele meiner aktuellen Herausforderungen sind nicht neu: Das Thema Baustellen und Sicherheit ist genauso wichtig wie Events und verkaufsoffene Sonntage. Wichtig ist zu erkennen, dass wir uns in einem Wandel befinden und diesen als Chance begreifen. Manche würden vielleicht „Krise“ sagen, ich tue das bewusst nicht. Das Konsumverhalten verändert sich und das betrifft natürlich auch die Innenstadt. Dann muss man überlegen: Was bedeutet das jetzt für uns? Was bedeutet das für eine Innenstadt? Da müssen wir auf jeden Fall ran. Ich habe im Oktober angefangen. Jetzt liegt der Fokus erst mal auf vielen Events im letzten Quartal – in der Innenstadt und der HafenCity ist jetzt Hochsaison, es gibt zahlreiche Veranstaltungen wie die Märchenschiffe, Weihnachtsparaden und natürlich auch die vielen tollen Weihnachtsmärkte. Mindestens genauso viel Zeit nimmt auch das Kennenlernen des gesamten Netzwerks in Anspruch. Unsere Mitgliederzahl beim Citymanagement liegt bei über 800, da kann man sich vorstellen, dass man nicht alle in einer Woche kennenlernen kann.
Wie möchtest du den Umgang mit Wohnungslosigkeit in der City konkret verbessern?
Ich habe mich schon während meines Studiums für meine Abschlussarbeit mit Wohnungslosigkeit beschäftigt. Damals ging es um Netzwerke obdachloser Menschen in München, konkret um Männer, weil sich die Lebensrealitäten von Männern und Frauen stark unterscheiden. In Hamburg gibt es einige sehr gute und engagierte Initiativen, die schon gute Arbeit leisten und die das Citymanagement bisher unterstützt hat und auch gerne weiterführt. Wichtig ist, dass es Orte gibt, an denen den Menschen geholfen wird. Spannend finde ich außerdem das Thema Bahnhof: Wie wird dieser neu gestaltet und welche Auswirkungen hat das auf die Menschen und die Innenstadt? Grundsätzlich gilt: Das Citymanagement kann solche Themen nicht allein lösen. Unsere Aufgabe ist es, die richtigen Menschen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Das passiert auch schon, zum Beispiel in Kooperation mit kirchlichen Initiativen. Ich sehe das ein bisschen wie ein Puzzlespiel: Welche Teile fehlen noch, und wie kriegen wir sie zusammen?
Neue Citymanagerin: „Es ist wichtig, dass die Innenstadt auch kostenlose Angebote bereithält“
Welche Maßnahmen planst du, um die Innenstadt für ältere Menschen attraktiv, zugänglich und erlebbar zu machen?
Ich habe ein paar Mal in Gesprächen erwähnt, dass ich gerne einen Social-Media-Account für das City Management Hamburg einrichten möchte. Mir ist aber wichtig, dass ich damit nicht nur jüngere Menschen erreichen möchte, sondern im Gesamtbild sehe, dass man verschiedene Zielgruppen eben auch mit verschiedenen Maßnahmen anspricht. Es geht mir immer darum, die Innenstadt für möglichst viele verschiedene Menschen attraktiv zu gestalten.
Bei jüngeren Menschen kann man über Instagram oder TikTok neue Zielgruppen erreichen, aber für Seniorinnen und Senioren ist das nicht unbedingt der passende Ansatz. Ein Thema, das dabei mitschwingt, ist oft die finanzielle Situation – gerade Frauen sind im Alter häufig von Altersarmut betroffen. Deshalb ist es wichtig, dass die Innenstadt auch Angebote bereithält, die kostenlos sind oder sich an Menschen mit kleinerem Budget richten. Ein Beispiel, das ich sehr schätze, ist die Rathauspassage: U-Bahn-Ausgang Jungfernstieg, ein Café kombiniert mit einem Secondhand-Buchladen, betrieben als soziales Unternehmen. Man genießt einen Kaffee und sehr leckeren Kuchen, tut gleichzeitig etwas Gutes, die Preise sind fair, und es gibt immer wieder kulturelle Aktionen. Ältere Menschen kommen dort gerne zusammen, verweilen, tauschen sich aus – genau solche Orte machen die Stadt dann auch im Gesamtbild attraktiv. Für mich gehört ganz allgemein zur Aufenthaltsqualität, dass genügend Sitzmöglichkeiten vorhanden sind, dass es Begrünung gibt, sicherlich auch gute Gastronomie mit Außenplätzen, vor allem im Sommer. Die Kommunikation spielt ebenfalls eine Rolle: Seniorinnen und Senioren erreicht man über analoge Medien wie Zeitungen und Radio. Momentan zumindest noch eher über analoge Medien. Aber auch das ist im Wandel und deswegen setzen wir im Citymanagement auf einen bunten Blumenstrauß an Vermarktungsmaßnahmen. Außerdem möchte ich als Citymanagerin auch immer ein offenes Ohr haben und freue mich über Ideen, egal aus welcher Altersgruppe.
Mehr spannende Einblicke in das Stadtmanagement gibt es auch in unserem Artikel über die Quartiersmanagerin vom Westfield Hamburg-Überseequartier.

