moondoo geht, Molotow kommt

Das Molotow bekommt ein neues Zuhause an der Reeperbahn 136 – ermöglicht durch die Schließung des moondoo zum Ende des Jahres. Booker, PR-Leiter und moondoo-Co-Betreiber Alexander Kulick blickt zurück, erzählt, was er am meisten vermissen wird und wie der Wechsel zum Molotow zustande kam
Der Club moondoo auf der Reeperbahn innen
Bis zum Jahresende sicher noch oft der Fall: volles Haus im moondoo (©Florian Schüppel)

SZENE HAMBURG: Alex, warum hört ihr Ende 2024 auf?

Alexander Kulick: Ohne die Pandemie hätten wir uns vom moondoo wohlmöglich nicht trennen können. Während der Shutdowns kamen uns aber oft Zweifel, ob wir jemals wieder öffnen würden. Also mussten wir uns mit dem Szenario beschäftigen, dass das moondoo dauerhaft schließen und das Leben danach weitergehen würde. Das brachte etwas ins Rollen. Uns wurde klar: Nach fast 17 Jahren müssen wir nicht mehr unbedingt auf der Reeperbahn einen Musikclub betreiben. Das Molotow möchte aber genau das – und das respektieren und unterstützen wir.

Booker, PR-Leiter und moondoo-Co-Betreiber Alexander Kulick
„Wir hatten unvergessliche Momente“: Alexander Kulick (©Valentin Ammon)

Wie genau kam es zur jetzigen Lösung?

Als die Nachricht von der Molotow-Kündigung bekannt wurde, riefen wir beim Clubkombinat an und boten ein offenes unterstützendes Gespräch unter Nachbarn an. So hatten wir es seinerzeit auch bei der „Hasenschaukel“ gemacht, deren Betreibende damals schwierige Gespräche mit der Vermieterin führten, bei denen wir erfolgreich vermitteln konnten. Als Andi Schmidt vom Molotow uns besuchte, diskutierten wir verschiedene Ideen, zum Beispiel: Molotow-Konzerte im moondoo an Tagen, an denen wir geschlossen haben, aber auch andere. Dabei wurde schnell klar, dass das Molotow eine komplette Übernahme favorisieren würde. Wenig später begannen die konstruktiven Gespräche mit der Kulturbehörde, ohne die dieser Schritt nicht möglich gewesen wäre.

Und dann übergebt ihr Silvester besenrein?

Wir haben mit dem Molotow kurz darüber gesprochen, dass beide Clubs Silvester noch in ihren alten Räumen feiern werden. Details klären wir noch.

Ein Blick zurück auf die Anfänge: Wie seid ihr damals zu den Räumlichkeiten gekommen?

Von den moondoo-Gründungspartnern hatten drei schon Ende der 90er-Jahre an der Reeperbahn 136 Partys veranstaltet, damals hieß der Club „La Cage“. Das Potenzial der Räume war also bekannt, genauso wie die Geschichte des Hauses. In den Nullerjahren galt die Adresse nach vielen Betreiberwechseln als verbrannt und stand leer, bis das moondoo eröffnete. Für die Eröffnung beschlossen wir, komplett umzubauen, um einen echten Neuanfang zu schaffen. Wir haben aber auch Altes wiederentdeckt und in unser Gesamtkonzept mit einbezogen – zum Beispiel historische Jugendstilkacheln im Eingangsbereich, die hinter alten Platten verborgen waren und seitdem wieder einen Hauch von Gründerzeit vermitteln.

Das moondoo war die Schnittmenge zwischen Schickeria und Subkultur

Mit welcher Intention habt ihr seinerzeit einen Club eröffnet?

Anfang/Mitte der Nullerjahre war der Kiez eines der clubreichsten, spannendsten Viertel. Tanzhalle, Click, Gum Club, Echochamber, Phonodrome, individuelle Bars – aus club- beziehungsweise popkultureller Sicht sehr relevant und inspirierend. Dann schlossen viele dieser Venues oder zogen weg und wir dachten: Vielleicht ist es an der Zeit, hier etwas zu machen. Einer der fünf Gründungspartner des moondoos hatte in den 70er/80er-Jahren länger in New York gelebt, als neue Genres wie House, Punk und HipHop ungebremst aufeinanderstießen und damit auch Uptown und Downtown, arm und reich, kurz: fast alle(s). In Hamburg schienen Szenen damals getrennt voneinander zu sein: hier die Schickeria, da die Subkulturen, dazwischen die Studierenden, um es ganz vereinfacht zu sagen. Wir wollten wieder für mehr Schnittmengen sorgen, mithilfe von Musik, aber auch von Architektur. Das war ein völlig neuer Ansatz.

Diese vermeintlichen Widersprüche haben uns mit ausgemacht

Alexander Kulick

Womit hättet ihr nach der Eröffnung am wenigsten gerechnet?

Wir hätten uns nicht vorstellen können, dass das moondoo so lange bestehen würde, denn wir haben den Gäst:innen mit unserem Crossover teilweise viel zugemutet. Manche dachten, wir wären der neue schicke It-Club – und als sie kamen, liefen zur Primetime auch vergleichsweise unbekannte und störrische Songs. Andere dachten, wir wären „underground“, weil Acts, die im moondoo spielten, sonst oft in alternativeren Clubs performten, und dann trafen sie plötzlich (auch) Menschen mit einem Glas Champagner in der Hand, die vielleicht gar nicht wussten, wer gerade auflegt. Aber diese vermeintlichen Widersprüche haben uns mit ausgemacht und gefielen offenbar vielen.

Welche Bedeutung hat der Name moondoo eigentlich?

So genau kann es keine:r mehr sagen. Angeblich ähnelt er einem Begriff, der in der Sprache einer indigenen Kultur „Großer Geist“ bedeutet, was man heute kritisch sehen könnte. Ich glaube, dass das Wort damals einfach gut klang.

Das moondoo war ein Anziehungspunkt

Club moondoo
Heute noch das moondoo, ab 2025 übernimmt das Molotow (©Marius Wolfram)

Was sind die Vorteile eines Clubs mitten auf der Reeperbahn?

Als gewachsener Ort für Popkultur und Unterhaltung ist die Reeperbahn weltberühmt und konnte diesem Ruf über viele Jahre gerecht werden.

Und die Nachteile?

Speziell in den letzten 20 Jahren nahm die Anzahl der Clubs und Clubgänger:innen ab, gleichzeitig stieg die Anzahl der Kioske und damit die der betrunkenen, zumeist touristischen Besucher:innen. Während der Pandemie nahm das noch einmal zu: Menschen, die aufgrund der Restriktionen nicht zum Ballermann fliegen durften, kamen auf die Reeperbahn, denn die Kioske durften ja öffnen. Davon hat sich die Straße bislang noch nicht erholt.

Wenn du dich auf die schönste Anekdote in der moondoo-Geschichte festlegen müsstest, welche ist das?

Ich erinnere mich gerne an eine, die aber exemplarisch ist für viele: Der Anfang/Mitte der Zehnerjahre sehr gefragte belgische Nu Disco-Producer/DJ Aeroplane war einmal hier, als ihn Fans nach seinem Set ansprachen: „Warum legst du ausgerechnet auf der Reeperbahn auf?“ Er zeigte auf mich und sagte: „Das moondoo hat mich nach Hamburg eingeladen, andere Venues nicht.“ Dadurch wurde mir bewusst: Viele Künstler:innen, die zum Teil weltweit getourt sind, hätten ohne uns nicht in der Stadt performt.

Was wirst du am meisten vermissen?

Wir hatten unvergessliche Momente, sowohl in unserem Team, als auch mit den Acts und natürlich unseren Gästen. Auch unser Unterm-Strich-Projekt, das wir mit dem gemeinnützigen clubkinder e. V. gegründet haben, gehört dazu.

Die Geschichte des moondoo wird im Dezember zu Ende erzählt sein

Alexander Kulick

Eine Abschlussparty reicht vielleicht nicht

Wie geht es für die moondoo-Crew nach dem Ende weiter?

Wir möchten unsere Kolleg:innen unterstützen, einen anderen Job zu finden, zum Beispiel im Cafe Schöne Aussichten, das wir auch betreiben, oder in unserem Netzwerk, in das wir schon häufig erfolgreich vermitteln konnten.

Und für dich persönlich?

Ich lass das auf mich zukommen.

Die programmatische Ausrichtung des Molotows ist sicher eine andere. Wer schließt die Lücke für eure Besuchenden?

Diese Rolle könnten vielleicht eher einzelne Partys übernehmen als Clubs. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass einige unserer Gäste:innen auch Spaß an Nächten im Molotow haben.

Nach der Sommerpause im August startet ihr in die letzten Monate. Welche Highlights sind geplant?

Wir haben einige gute Ideen, sind aber aktuell vor allem noch mit der Planung unserer Übergabe beschäftigt.

Gibt es eine Abschlussparty?

Vielleicht wird es auch mehrere Abschlusspartys geben. Am liebsten mit all den guten und dabei unterschiedlichen Menschen, die wir in den letzten 17 Jahren kennenlernen durften.

Glaubst du, das moondoo wird an anderer Stelle weiterleben?

Ich persönlich denke, dass die Geschichte des moondoo im Dezember zu Ende erzählt sein wird. Aber vielleicht treffen wir uns alle einmal wieder, um uns gemeinsam an diese Zeit zu erinnern? Ich wäre dabei.

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 08/2024 erschienen.

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