Kolumne: Von Pferden und Menschen. Demonstrierst du noch oder wirfst du schon Pflastersteine?
Hamburg ist für mich die Stadt der freien Meinungsäußerung. Der Presse. Der Medien. Aber auch des erfolgreichen Widerstandes. Protest gibt es ja überall in der Kultur: in der Musik, im Film, in der Kunst und auf der Straße. Hamburg war schon immer besonders gut darin, seine Meinung auf die Straße zu bringen – Stichworte „Hafenstraße“, „Gefahrengebiete“ oder „Lampedusa“.
Das geht mittlerweile zwar auch virtuell mit Online-Petitionen gegen wirtschaftliche Bündel oder idiotische Politiker. Das geht aber vor allem auch mit Demonstrationen. Ich finde es super, gemeinsam für seine Rechte auf die Straße zu gehen. Der Mensch neigt nur scheinbar grundsätzlich dazu, seine Grenzen auszufransen. Deswegen müssen solche Szenen wie „Mensch knüppelt mit Härte vom Pferd runter in die Menge“ oder „Vermummte werfen Gullydeckel, Pflastersteine und Feuerlöscher auf Menschen“ wohl auch sein. Zumindest am 1. Mai.
Das liegt weniger an der Choreografie der Demonstranten oder den (Re-)Aktionen der Ordnungsmacht, sondern an dummen Jungen, die sich mit Taschen voller Energydrinks und Böller den Erlebnissen zuorientieren. Ob das nun besser oder schlechter ist, als sich zu Hause dem Geschehen via taz live-Ticker zu widmen, mag jeder für sich beurteilen.
Den Trollen aber Futter zu geben mit hetzerischen Überschriften (jedes Jahr identisch), reißerischen Fotos (ebenfalls jedes Jahr identisch) und fragwürdigen Verallgemeinerungen, finde ich nicht gut. Auf eine Demonstration gehen neben Polizisten und Chaoten nämlich auch weitere Teilnehmer. Viel mehr.
Ich war bislang neun Mal am 1. Mai in der Schanze. Vier Mal als Demonstrant, ein Mal ehrlich gesagt aus Versehen und vier Mal als Journalist. Gelernt habe ich dabei, dass manche Reaktionen auf soziale Ungerechtigkeit unbedingt auf die Straße gehören, manche als Meinung ins Blatt, manche aber auch nur zu Rage Against The Machine oder System Of A Down auf die Tanzfläche.
Habt einen schönen Start in die Woche, wir lesen uns Sonntag wieder, Jannes
Who the fuck is Jannes?
Jannes Vahl hat den gemeinnützigen Verein Clubkinder e.V. gegründet. Mit Konzerten, Partys oder Events sammelt er Spenden für soziale Projekte in Hamburg, beispielsweise mit der Tagebuchlesung. Außerdem leitet er die Kreativagentur Flutlotsen mit Büro auf St. Pauli. Mit seinem Compagnon Joko setzt er hier Projekte um. Jannes Vahl hat 5.000 Facebookfreunde, trinkt Craft-Bier, mag die Band Pearl Jam und versendet digitale Herzchen. In seiner neuen Kolumne berichtet er jeden Sonntag über ein Hamburger Thema, das ihn in der letzten Woche beschäftigt hat.
Foto: Julia Schwendner