Kolumne: Tierschutz auf dem Teller. Oder: Hamburg wäre nach 20 Stunden ausgestorben, wenn wir in der gleichen Geschwindigikeit Menschen wie Tiere essen würden
Diese Woche hat das zuständige Oberverwaltungsgericht entschieden, dass das Töten männlicher Küken direkt nach dem Schlüpfen nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.
Wenn man sich die Kommentare unter Videos von Massentierhaltern anschaut, stellt sich die Frage: Denken die Leute, ihr Billigst-Fleisch kommt freudig freiwillig auf den Teller gehüpft?
Warum geben Menschen 999 Euro für einen Grill aus, aber nur 0,99 Euro für ein Steak? Warum trinken Menschen Milch, die 29 Cent pro Liter kostet? Warum essen Menschen Burger, von denen der Verkäufer sagt, dass in den Buletten nicht mal Fleisch drin ist?
Schmecken bedrohte oder süße Tiere anders? Haben Tiere weniger Gefühle, ob sie nun im Regenwald, in einer Geflügelfarm in Ostholstein oder in Ostpolen wachsen – ob sie in einem Löwen, in einem Burger in der Schanze oder in einer Friteuse in Texas landen? Warum isst ein durchschnittlicher Texaner in seinem Leben ungefähr unendlich mal mehr Tiere als ein durchschnittlicher Inuit? Sind einige Asiaten schlechtere Menschen als einige Aachener, weil sie Tiere anders essen? Obwohl der Aachener vielleicht nur das Filet isst, der Asiate aber auch Füße, Organe und Kopf?
Ein halber Hahn für 3 Euro bedeutet, dass ein Lebewesen 6 Euro kostet? Pro Jahr werden alleine in Deutschland 750.000.000 Tiere geschlachtet. Für 80 Millionen Einwohner. Würden wir in der gleichen Geschwindigkeit Menschen töten, gäbe es im Land nach 39 Tagen keinen Einwohner mehr. In Hamburg übrigens nach nicht mal 20 Stunden.
Nutztiere. Wildtiere. Population. Ökosystem. Tier Mensch. Äpfel & Birnen. Polemik & Pathos. Ich kann die meisten Fragen auch nicht beantworten. Ich kann mir aber gut überlegen, wie oft und wie bewusst ich welches Tierprodukt esse, trinke oder trage.
Habt einen schönen Start in die Woche, wir lesen uns Sonntag wieder. Jannes
Foto: Julia Schwendner
Who the fuck is Jannes?
Jannes Vahl hat den gemeinnützigen Verein Clubkinder e.V. gegründet. Mit Konzerten, Partys oder Events sammelt er Spenden für soziale Projekte in Hamburg, beispielsweise mit der Tagebuchlesung. Außerdem leitet er die Kreativagentur Polycore. Mit seinem Compagnon Joko setzt er hier Projekte um. Jannes Vahl hat 5.000 Facebookfreunde, trinkt Craft-Bier, mag die Band Pearl Jam und versendet digitale Herzchen. In seiner neuen Kolumne berichtet er jeden Sonntag über ein Hamburger Thema, das ihn in der letzten Woche beschäftigt hat.