Kolumne: In geregelten Bahnen. Oder: Wer ist noch nicht mit einem versteckten Bier U-Bahn gefahren?
Ich möchte an dieser Stelle einmal eine Lanze für den öffentlichen Nahverkehr brechen. Klar, die Preise für Fahrkarten werden gefühlt jede zweite KW erhöht. Aber die Busse und Bahnen kommen meistens pünktlich. Und wenn Mal irgendwo gebaut wird, gibt es einen Schienenersatzverkehr. Sehr fein und immer ein Abenteuer, wenn die Menschen orientierungslos die Haltestellen entlang stolpern.
In Wirklichkeit leisten die Fahrer, die Stimmen aus den Kommandozentralen und Strippenzieher im Hintergrund täglich eine Menge: Sie bringen jeden Morgen Abertausende zur Arbeit und jeden Abend wieder zurück. Unzählige Touristen zum Rathaus, zu den Landungsbrücken und zur Alster. Unzählige Feuilletonisten zum Uebel & Gefährlich, zum Gruenspan und zum neuen Schmidtchen. Und bald dann auch endlich wieder den gesamten Speckgürtel zum Sommerdom und zur Taufe der „Mein Schiff 12“ mit Helene Fischer. All‘ das ohne Zustände wie in Tokio oder New York, wo man sich 24/7 panisch in ein überfülltes U-Bahn-Abteil quetscht, in dem man dann mit seiner Wange in einer nassen Achsel des Vordermannes stehen muss, in dem man direkt verprügelt und auf YouTube hochgeladen wird oder von dem Schließmechanismus der Türen zerteilt.
In Deutschland wird gerne das Negative gesehen: Trunkenbolde. Junggesellenabschiede. Nervige Bettler. Unfreundliche Fahrer. Stillende Frauen, die (aus einem Missverständnis heraus) des Busses verwiesen werden, tun ihr Übriges zum schlechten Image. Aber wer fährt einen schon sonst bei Regen alle 5 Minuten für ein paar Euro durch die halbe Stadt? Eben. Und wer ist nicht schon einmal angeheitert HVV gefahren mit einem versteckten Bier? Und wie lange dauert es bitte in München zum Flughafen? Oder in unserer großen Schwester Berlin überhaupt von A nach B?
Ich versuche es mir immer in der Bahn schön zu machen. Ich mag es, in der U3 aus dem Fenster zu schauen. Überhaupt passiert die U3 viele tolle Orte am Wasser und in der Stadt. Oder Menschen. Man kann sich so toll andere Leute anschauen. Hübsche, interessante, genervte und fröhliche. Wenn man Glück hat, sieht man sogar einen, der nicht ins Smartphone oder auf den Pad-Fantasyroman schaut und der lächelt. Diese Tage werden immer besonders schön. Sehe ich zumindest so. Und wenn mal alles schief läuft, schaue ich mir die „Sitzmuster des Todes“ an. Denn auch da ist Hamburg weit vorne mit dabei.
Viel Freude morgen früh in den Öffis, wir lesen uns nächsten Sonntag wieder, Jannes
Who the fuck is Jannes?
Jannes Vahl hat den gemeinnützigen Verein Clubkinder e.V. gegründet. Mit Konzerten, Partys oder Events sammelt er Spenden für soziale Projekte in Hamburg, beispielsweise mit der Tagebuchlesung. Außerdem leitet er die Kreativagentur Flutlotsen mit Büro auf St. Pauli. Mit seinem Compagnon Joko setzt er hier Projekte um. Jannes Vahl hat 5.000 Facebookfreunde, trinkt Craft-Bier, mag die Band Pearl Jam und versendet digitale Herzchen. In seiner neuen Kolumne berichtet er jeden Sonntag über ein Hamburger Thema, das ihn in der letzten Woche beschäftigt hat.