Kolumne: Crazy Horst und Klaus im Na Und? Das echte Hamburg findet man in Kneipen und Kaschemmen
Meine ganz persönliche Theorie: Je schneller die Trends wechseln, nach denen man sich richten soll, je mehr heißer Scheiß sich in Clubs tummelt, je kürzer die Aufmerksamkeitsspanne bei all’ der Scrollerei auf Monitoren, desto mehr sehnt man sich nach etwas Echtem. Und was kann echter sein als Kneipen und Kaschemmen. Gut, das mag Quatsch sein. Mir geht es aber so.
Ich habe viel übrig für die Kneipen in Hamburg – für die 40 Jahre Geschichte, die der Wirt Crazy Horst in seiner Piano Bar geschrieben hat. Oder die Zeit, die Klaus im Na und? abgesessen, Touristen angemault und „Grüne Scheißwichse“ eingeschenkt hat. Noch besser: Weinbrand, Korn-Cola oder andere Getränke, die sich der Werbeindustrie seit Jahrzehnten vollständig entziehen.
Ich habe eine Freundin, mit der ich ein Ritual pflege. Jedes Mal, wenn wir gemeinsam nach Mitternacht mit der U3 in Richtung Winterhude fahren, trinken wir noch einen Absacker im Clax. Also eher vier. So auch letzte Woche. Eigentlich müssten wir in so einer Bar auffallen wie die Pfaue. So hat Crazy Horst das in dem Hamburger Kompendium „Wahre Worte weiser Wirte“ beschrieben: „Je größer der Pfau sein Rad schlägt, umso besser sieht man sein Arschloch.“ Horst halt. Und irgendwie fällt in so einer Kneipe dann doch niemand aus dem Rahmen.
Eine andere Geschichte, ebenfalls über so einen Kneipenabend: Als unsere Agentur den Zuschlag für die Zusammenarbeit mit dem Gruenspan bekam, haben meine Freundin und ich im Clax einen Taxifahrer nach Dienstschluss kennengelernt. Der war zufällig bei der Eröffnung des Gruenspan und hat es zehn Tage lang nicht mehr verlassen. Durchgemacht. Wahrscheinlich mit Opium und Absinth oder so. Solche Geschichten werden in Kneipen erzählt.
Ein weiterer Vorteil dieser Läden: Sie sind immer für einen da. Eine Bar in Winterhude hat 24 Stunden geöffnet. Rund um die Uhr. Immer. Wenn der Wirt einnickt, legt man einfach die 2,30 Euro auf den Tresen und zapft sich sein Pils selber.
So etwas mag ich. An anderer Stelle schreibe ich dieselbe Kolumne vielleicht drüber, wo man quasi rund um die Uhr ehrlich essen kann. Denn: Da kann man so viel Streetfood, Pulled Pork oder Currywurst mit Blattgold konsumieren, wie man will: Es geht nichts über Erikas Eck, die Kleine Pause und den Kiezbäcker.
Habt einen schönen Start in die Woche, wir lesen uns Sonntag wieder, Jannes
Bild: Eckkneipe Capri-Stube in Barmbek-Süd, fotografiert von Ole Masch
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Who the fuck is Jannes?
Jannes Vahl hat den gemeinnützigen Verein Clubkinder e.V. gegründet. Mit Konzerten, Partys oder Events sammelt er Spenden für soziale Projekte in Hamburg, beispielsweise mit der Tagebuchlesung. Außerdem leitet er die Kreativagentur Flutlotsen mit Büro auf St. Pauli. Mit seinem Compagnon Joko setzt er hier Projekte um. Jannes Vahl hat 5.000 Facebookfreunde, trinkt Craft-Bier, mag die Band Pearl Jam und versendet digitale Herzchen. In seiner neuen Kolumne berichtet er jeden Sonntag über ein Hamburger Thema, das ihn in der letzten Woche beschäftigt hat.