Mit der Qualifikation als Kita-HelferIn erhalten junge lernbeeinträchtigte Menschen die Chance, auf dem Arbeitsmarkt teilzuhaben. Ganz barrierefrei ist das inklusive Bildungsangebot allerdings nicht
Text: Sarah Seitz
Die Menschen werden auf dem Arbeitsmarkt ganz stark auf ihre Defizite reduziert“, sagt Birthe Nowak. Sie ist Abteilungsleiterin für die Qualifikation als Kita-HelferIn an der Staatlichen Fachhochschule für Sozialpädagogik FSP2. Seit fast 20 Jahren bietet sie mit dem Bildungsangebot für HelferInnen in Kindertagesstätten jungen Menschen, die sich am Rand des leistungsorientierten Arbeitsmarktes entlanghangeln, eine Alternative.
In enger Zusammenarbeit mit den Elbe-Werkstätten soll die deutschlandweit einzigartige Qualifikation der Kita-HelferIn für mehr Inklusion am Arbeitsmarkt sorgen. Die SchülerInnen der FSP2 werden während der vierjährigen Bildungsmaßnahme ganz individuell gefördert – je nach Beeinträchtigung. Denn die Qualifikation richtet sich ausschließlich an junge Menschen mit Behinderung. Eine von ihnen ist Saskia N. Die 19-Jährige ist im zweiten Lehrjahr. Neben der Kita-Kompetenz hat sie in dieser Zeit auch viel für sich selbst gelernt. „Ich halte mich nicht mehr so zurück“, erzählt sie. In der Kita, in der sie arbeitet, fühle sie sich mittlerweile als richtige Kollegin. So wie Saskia geht es auch den aktuell insgesamt 23 weiteren angehenden Kita-HelferInnen. Durch die Arbeit mit den Kindern und Erziehenden fühlen sie sich gesellschaftlich bedeutsam, werden mutiger und selbstbewusster.
SpielpartnerInnen, TrösterInnen oder WegbegleiterInnen
Neben der persönlichen Entwicklung eignen sich die angehenden Kita-HelferInnen viel fachliche Kompetenzen an. Von Beginn an sind sie, parallel zur Schule, auf die 19 aktuell teilnehmenden Hamburger Kitas verteilt. Dort sind sie als SpielpartnerInnen, TrösterInnen oder WegbegleiterInnen im Einsatz. „Und das können sie unwahrscheinlich gut, weil sie einfach aus einer anderen Lebenswelt kommen. Mit neuen Impulsen und ihrer anderen Denkweise bringen sie uns manchmal ganz tolle Dinge näher, auf die wir selbst gar nicht erst gekommen wären“, erzählt Nowak. Im ständigen Wechsel von Theorie und Praxis konzentriert sich die erste Hälfte der Qualifikation auf die sogenannte Berufsvorbereitung. Anschließend folgt im dritten und vierten Jahr der Berufsbildungsbereich. Die Jugendlichen lernen den Umgang mit Säuglingen und Kleinkindern. Aber auch hauswirtschaftliche Aufgaben, die Orientierung im Berufsalltag oder Musik, Sport und Spiel stehen auf dem Lehrplan. So haben mittlerweile 74 KitaHelferInnen ausgelernt.
Ob als Unterstützung für das Fachpersonal oder auch im Austausch mit den Kindern – viele Betriebe, die KitaHelferInnen beschäftigen, sind begeistert. Doch es fehle leider an Offenheit und Bereitschaft, klagt Nowak. Denn trotz des inklusiven Bildungsangebots bleibt es für die SchülerInnen hart auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Schwierige Finanzierung
Bürokratische Hürden erschweren den Sprung aus der Qualifikation in die Festanstellung. Vor allem in den letzten Jahren sei es schwieriger geworden, Kitas zu finden, die die ausgelernten HelferInnen übernehmen, erzählt Nowak. Denn in der vierjährigen Bildungsmaßnahme gibt es weder Klausuren noch Tests. Das könnten viele der SchülerInnen nicht leisten, erklärt Nowak. Keine Abschlussprüfung bedeutet allerdings auch keine anerkannte Ausbildung. Hinzu kommt: Kita-HelferInnen sind nicht im Landesrahmenvertrag für Kindertagesstätten aufgeführt – was die Finanzierung der HelferInnen für die Kitas schwer macht. Unterstützung leistet da zum einen das Hamburger Budget für Arbeit, das Kitas mit festangestellten HelferInnen bezuschusst. Zum anderen bieten die Elbe-Werkstätten, als Kooperationspartner der Qualifikation, sogenannte Außenarbeitsplätze. Das heißt, die Kindertagesstätten beschäftigen die HelferInnen, Hauptarbeitgeber sind aber die Elbe-Werkstätten.
Im kommenden Sommer geht es weiter
Aber auch Vorurteile machen es den Kita-HelferInnen schwer. „Erwachsene Frauen und Männern mit Beeinträchtigung werden immer als Synonym für das dritte Kind gesehen. Wir haben häufig gar nicht die Chance, Schülerinnen und Schüler zu verorten, damit sie überhaupt zeigen können, was in ihnen steckt“, erklärt Nowak. Für sie ist es ein gesellschaftliches Problem: „Es braucht eine Bewusstseinsveränderung bei uns allen, nicht nur bei den ArbeitgeberInnen, sondern auch tatsächlich bei den KollegInnen, bei den MitarbeiterInnen.“
Im kommenden Sommer startet eine neue Klasse der Kita-HelferInnen. Bewerben können sich SchülerInnen, die eine Integrationsklasse oder eine Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung besuchten und sich gut in ihrem Umfeld orientieren können. „Jeder und jede, der und die sich bewirbt und orientieren kann, wird genommen. Das ist unser Ansinnen“, versichert Nowak.
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