Ab heute (27. April) gilt in Hamburg die Maskenpflicht: Im Einzelhandel und im öffentlichen Nahverkehr muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Unser Autor Basti Müller schreibt über das Pro und Kontra der Maßnahme.
Text: Basti Müller
Ich sitze in der Bahn und schaue in mein Tagebuch. Mein Atem wird von meinem Schal geblockt, er steigt empor und beschlägt meine Brille. Eine „richtige“ Maske habe ich noch nicht, so fühle ich mich ein bisschen wie ein Verbrecher. Ich habe Angst – nicht vor dem Coronavirus – sondern davor, dass der Schal herunterrutscht und mich die Sicherheitsleute ansprechen.
Maskenpflicht – das ist ja schön und gut. Es gilt, Mitmenschen durch das Tragen der Maske zu schützen, die Ansteckungsrate zu minimieren und somit das Gesundheitssystem zu entlasten. Eine wichtige Aufgabe, zu der man nun mehr oder weniger gezwungen wird. Das ist zu verkraften, der Chefarzt der Stadt, Peter Tschentscher, hat das schließlich angeordnet. Auch zumal der Hamburger Justizsenator, Till Steffen, ankündigte, (noch) keine Bußgelder auszusprechen. Wer dagegen verstoße, dürfe – einfach gesagt – nicht mitfahren oder einkaufen.
Das finde ich fair, weil ich auf die öffentlichen Verkehrsmittel und Lebensmittel angewiesen bin und die gleiche von mir an den Tag gelegte Rücksicht auch von meinen Mitbürgern verlange. Die Maske ist also weit mehr als ein einfacher Mund-Nasen-Schutz, sie wird auch zum Hilfswerkzeug, die die Bürger sensibilisiert, die verdammte Kurve abzuflachen. Wie paradox: Die Bahnfahrt ist nun trister als je zuvor, die Masken schaffen trotzdem eine Art „Wir-Gefühl“.
Schutzmasken schaffen ein trügerisches Gefühl der Sicherheit
Nach der Maskenpflicht sollte aber Schluss sein mit der Einschränkung der „allgemeinen Handlungsfreiheit“. Der Ellenbogen-Handschlag ist mittlerweile zur Standardbegrüßung mutiert, verständlich. Dass ich mit meinen Mitbewohnern nicht im Park sitzen kann, ohne von einer Streife nach dem Ausweis gefragt zu werden, nervt. Dass ich mir jetzt eine Maske für den öffentlichen Nahverkehr besorgen muss, hätte von den Verantwortlichen besser umgesetzt werden müssen. Zumal der Zeitpunkt, eine Woche nach Öffnung der kleineren Geschäfte, für mich widersprüchlich ist. Experten warnen sogar, dass Schutzmasken den sozialen Kontakt verharmlosen, sie somit ein trügerisches Sicherheitsgefühl erschaffen. Sollte das Social Distancing stark vernachlässigt werden, bringt eine Maske recht wenig.
Hinzu kommt, dass die Preise zu steigen scheinen. Unterdessen versuchen einige Bürger an einen hochwertigen Mund-Nasen-Schutz zu gelangen, die womöglich an anderen Orten mehr gebraucht werden. Effizienter Schutz wird somit auch irgendwie zum Privileg der Besserverdienenden. Obdachlose mit Schutzmasken habe ich jedenfalls noch nicht gesehen. Masken auf der Straße liegend aber schon. Die durch die Ansammlung der Erreger im Stoff übrigens zum Viren-Hotspot werden können. Da wären wir wieder in der Wegwerfgesellschaft, die wir alle so schrecklich vermisst haben.
Die Maskenpflicht polarisiert
Fazit: Naiv betrachtet ist jede Maske besser als gar kein Schutz. Ich passe mich den Vorschriften an, nicht, weil ich es besser wüsste, sondern weil ich es für richtig halte. Menschenleben zu schützen, und die damit einhergehende Dauer der Maßnahmen entgegen zu wirken, ist Priorität – um schnellstmöglich zum Friseur, eh, ich meine zur Normalität zurückzukehren.
Klar ist, dass die Maskenpflicht polarisiert. Ob unsere Grundrechte dadurch massiv eingeschränkt werden, sei aber dahingestellt. Rechtlich gesehen ist sie als „notwendige Schutzmaßnahme“ schon seit 2001 im Infektionsschutzgesetz geregelt. Übrigens: Meine Eltern, Kinder der DDR, wissen was „wahre“ Einschränkung bedeutet – nicht zu wissen, wem du deine Gedanken anvertrauen kannst, für Kritik am System möglicherweise in den Knast zu kommen oder bei Verlassen des Landes mit Schüssen zu rechnen.
Ich schneidere mir eine Atemmaske einfach selbst. Dann hat sich das auch mit der Angst und den beschlagenen Brillengläsern. Ich kann sie wiederverwenden und ganz nach meinem Geschmack gestalten. FCK CRN werde ich auf meine schreiben.
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