Techno im Thomas Reed. Rave in der Brauerei. Party in der U-Bahn. Wie das junge Veranstalterkollektiv Art & Brothers die Szene aufmischt, erzählen die Gründungsmitglieder Iman Hanzo und Lennart Jakobs
Interview: Ole Masch / Fotos: Valentin Ammon
SZENE HAMBURG: Euch gibt es seit etwa einem Jahr. Wie ist Art & Brothers entstanden?
Iman: Vor allem durch zwei Dinge. Leidenschaft und Wut. Leidenschaft für die Musik, mit der ich als DJ in Europa herumgekommen bin und verschiedene Feierkulturen kennengelernt habe. Und Wut darüber, dass ich zurück in Hamburg immer häufiger gesehen habe, wie DJs für Gästelistenplätze oder Getränke spielen und dabei ihr Talent untergeht. Mir hat in Hamburg eine künstlerische Heimat gefehlt und so habe ich diese junge Truppe zusammengetrommelt.
Wer seid ihr genau?
Lennart: Ich habe vor zwei Jahren begonnen, House und Techno aufzulegen, im Underground angefangen und auch mal illegale Sachen veranstaltet. Mit der „Mein Name ist Hase“-Crew bin ich unter anderem im Waagenbau, lege selber als WooKID auf. Art & Brothers besteht aus allen künstlerischen Elementen des Nachtlebens. Neben der Musik spielt dort auch unser Fotograf oder Modedesign eine Rolle.
Iman: Wir wollen etwas erschaffen, das es so nicht gibt, und als Veranstalter etwas Gewagtes probieren. Musikalisch mit dabei sind Lennart und sein Zwillingsbruder unter dem Synonym Clashes. Kiiano, LOWE, Carlai und ich als Me & My Monkey. Außerdem haben wir seit Kurzem mit Lina Serna eine Dame dabei.
Ist „Brothers“ in Art & Brothers damit schon wieder hinfällig?
Lennart: Nein, Art & Brothers heißt nicht, dass wir nur Männer wollen. Es geht um die Musik. Das Projekt ist noch sehr jung und bewegt sich. Vielleicht kommt nach Art & Brothers auch Art & Brothers & Sisters. Es geht weniger um Brüder, sondern um den brüderlichen Gedanken. Jeder für jeden und alle für die gemeinsame Sache.
Welche Sache ist das konkret?
Lennart: Wir haben im Sommer mit Open Airs angefangen. In der Hongkongstraße war unsere erste „Der letzte Tanz“-Party. Danach haben wir ein Angebot bekommen, etwas im Thomas Reed zu machen. Also da, wo elektronische Musik praktisch nicht vorhanden ist. In „unserem“ Garten haben wir Anfang Dezember mit 400 Leuten den „Der letzte Tanz – Wintergarten“ gefeiert. Die Idee ist, gastronomische Locations mit Techno und House zu bespielen und sie so für die Szene zu aktivieren.
Iman: Einen Tag vor Silvester werden wir eine Party in der Brauerei von Hopper Bräu feiern. Außerdem starten wir Ende Januar einen U-Bahn-Rave. Wir schauen ständig, wo wir am besten reinpassen.
Wie kommt ihr an solche Locations?
Lennart: Mit Hopper Bräu ist es was Offizielles. Es gibt viele Supporter. Wir arbeiten mit einem Vertrieb zusammen und haben unsere eigene Bieredition herausgebracht. Auch andere Leute aus der Gastronomie finden unsere Projekte super. Die wissen, welchen Spirit elektronische Musik in Hamburg mal hatte. Wir arbeiten außerdem an unserer eigenen Kollektion und versuchen, uns mit allem gerade in Hamburg zu platzieren.
Klingt weniger nach Underground …
Lennart: Als jemand, der aus dieser Richtung kommt, habe ich bei anderen Kollektiven gesehen, dass es sinnvoll ist, eine offiziellere Seite zu haben. Ich war an einem Punkt, wo ich es allein nicht mehr geschafft hätte. Genau zu dem Zeitpunkt habe ich Iman kennengelernt. Ja, es ist offiziell, aber wir bleiben trotzdem autonom und geben die Richtung vor. Wir wollen eben nicht in die Falle reinrutschen, Veranstaltungen zu machen, die es schon zehnmal gibt. Und so kann man dann wirklich mal einen eigenen Rave in einer Brauerei oder sogar in der U-Bahn machen.
Iman: Wir gehen mit keinem Trend oder schauen in Lehrbücher wie wird’s gemacht. Wir machen das aus Leidenschaft und kommen alle aus der Szene. Vieles entsteht dabei spontan, aber eben durchdacht.
Was ist das Besondere an euren Partys?
Iman: Die Kunst besteht nicht darin, einen großen Act zu buchen, den dann 80 Prozent gar nicht kennen, sondern mit der Selektion der Musik die Leute zum Tanzen zu bringen. Jeder von uns hat einen eigenen Sound und das kommt gut an.
Lennart: Natürlich ist alles immer irgendwoher und wird wieder neu zusammengesammelt. Bei uns steht die Arbeit im Kollektiv im Vordergrund. Wir bringen Erfahrungen aus verschiedenen Richtungen zusammen. Auf unseren Veranstaltungen wird das gezeigt, was wir denken, was Hamburg braucht und ist. Das ist einerseits Ungezwungenheit und andererseits gibt es das Problem, dass keiner Geld hat, weil alles viel zu teuer ist. Deswegen machen wir unsere Open Airs umsonst und draußen.
Welche Leute trifft man bei euch?
Lennart: Das ist extrem bunt. Zum einen viele Leute aus dem Underground, die versuchen von mittwochs bis sonntags feiern zu gehen. Natürlich die normalen Partygänger, aber auch den Biker von der Reeperbahn oder das Model von Modelwerk. Man sieht wirklich jeden und alles. Es entsteht ein Flow und eine Unbeschwertheit, weil keiner guckt, wie jemand aussieht oder wer da ist.
Welche Pläne hat Art & Brothers für 2017?
Iman: Zunächst natürlich unser U-Bahn-Rave „Nachtzug“, für den es limitierte Tickets über unsere Facebook-Seite gibt. Diejenigen, die dort keine bekommen oder nur im Club feiern wollen, sind ab 23 Uhr im Bahnhof Pauli im Klubhaus St. Pauli herzlich willkommen. Die Fahrt dauert 45 Minuten und ist erst mal ein Pilotprojekt. Wenn es gut ankommt, planen wir das erneut und auch länger. Zudem wollen wir unsere Garten-Open-Air im Sommer fortführen, planen mit dem Terminal OpenAir einen Rave am Flughafen und wollen unser eigenes Label gründen.
Lennert: Ich denke außerdem, dass Räumlichkeiten als Institution immer nötig sind, damit die Leute wissen, wo sie hingehen müssen, um Art & Brothers zu besuchen. Wir haben dafür im Frühjahr ein Pop-up-Projekt in St. Pauli geplant. Mehr verraten wir dann über unsere Seite.
Save the Date: 30.12., „Hopper Bräu“-Brauerei-Rave, 21 Uhr; 28.1., U-Bahn-Rave plus Party im Bahnhof Pauli, 23 Uhr
An manchen Tagen besser mit Sonnenbrille – Unser Mann für Hamburgs Nachtleben Ole Masch