Kunstverein Hamburg: Lümmelnd lauschen

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Die Videos des Thailänders Korakrit Arunanondchai führen in eine laute, bunte, mystische Welt des Werdens und Vergehens

Text: Karin Schulze

Leben oder Tod? Korakrit Arunanondchai stellt einen vor die Wahl. Zuerst gerät man in ein halbdunkles Zwischenreich: In der Ausstellungshalle wabern Nebel um Erdhügel, Grabsteine und brennende Kerzen. Rings umher leuchten meeresartig blaugrüne Gemälde, eine Wand ist von Schlick und Muscheln bedeckt. Wer genau hinsieht, entdeckt einen toten Vogel, skelettierte Hände oder einen Plüschhasen.

Dann muss man sich entscheiden. In welche Videoinstallation zuerst: Songs for dying oder Songs for living? Wendet man sich dem Sterben zu, dann sieht man Bilder, mit denen der Künstler den Tod seines Großvaters betrauert: wie er mit dem geliebten, schon gebrechlichen Ahn am Strand entlanggeht, wie er dem sterbenden Alten die Hand hält. Dazu mischt Arunanondchai zu prasselnden Elektrobeats Aufnahmen von Trauerritualen, die an den Kreislauf alles Irdischen denken lassen, aber auch Dokubilder von den prodemokratischen Protesten in Thailand.

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Haben die Songs für dying einen eher lichten, befreienden Gestus, sind die Songs for living, denen man auf weichen Kissen lümmelnd lauschen kann, überraschenderweise düster angelegt: Während New York aus dem pandemischen Koma erwacht, gleiten mit schwarzen Schwingen geflügelte Mythenwesen durch die Straßen, umtanzen barbrüstige Menschen ekstatisch ein Feuer und geisterhaften Gestalten quillt eine schwarzrot glänzende Masse aus dem Mund.

Der in New York lebende Thailänder, der bereits bei der Venedig Biennale oder im MoMa ausstellte, erweitert persönliche Erfahrungen um historische Bezüge, östliche Mythologien und Momente westlicher Philosophie. Im Kunstverein verknüpft Arunanondchai die Motive von Leben und Tod: Die Dying-Arbeit ist lebensbejahend und das Living-Video abgründig angelegt. Transformation steht zentral – in Gestalt von Auflösungs- und Zersetzungsprozessen, die eben erloschenes Leben zum Stoff für neues werden lassen. Während die Filme mit ihrer mal sanften, mal peitschend schnellen Abfolge von Texten, Bildern und Klängen berühren, ohne sentimental zu werden, wirkt die friedhofsartige Zwischeninstallation etwas gefühlig und manchmal etwas ungewollt komisch.

Korakrit Arunanondchai: Songs for dying / Songs for living, bis 20.2., Kunstverein


 SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Januar 2022. Das Magazin ist seit dem 22. Dezember 2021 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!

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