SZENE HAMBURG: Luna, wie bist du zu „22 Bahnen“ gekommen?
Luna Wedler: Vor genau einem Jahr war ich im Urlaub in Italien und habe ein E-Casting gemacht. Dazu hatte ich drei Szenen von Mia Maariel Meyer bekommen. Einen Tag später habe ich eine Stunde lang mit Mia telefoniert, wir haben uns super verstanden und dabei hat sie mir schon gesagt, dass sie mich für die Rolle sehr gerne haben würde. Dann ging alles sehr schnell: Drei Wochen später haben wir bereits angefangen zu drehen.
Wusstest du sofort, dass du das machen willst, als du das Drehbuch geschickt bekommen hast?
Ich bin ein totaler Bauchmensch, ich kriege dann so ein Kribbeln, und habe sofort gespürt, dass ich das machen möchte. Schon in der ersten Szene haben sich bei mir total viele Fragen aufgetan, mit denen ich mich gerne auseinandersetzen wollte – das hat mich von Anfang an sehr gepackt. Für mich ist „22 Bahnen“ in allererster Linie eine Geschwistergeschichte; es geht um Geschwisterliebe. So etwas wollte ich auch immer schon mal machen. Außerdem hat Tilda etwas sehr Mysteriöses. Ich musste mich oft fragen: „Who are you?“ Das fand ich spannend.
Luna Wedler über ihre Filmrolle Tilda
War es schwer, diese Tilda für dich zu finden?
Es gibt ja den Roman, auf dem der Film fußt, und das ist immer ein Riesengeschenk, weil man darüber oft viel erfährt über das Innenleben, über Vorgeschichten. Darüber kann man sich viel zusammenfühlen. Die Herausforderung für mich war eher, dass Tilda eine ganz stille Beobachterin ist. Die hat so eine Abgeklärtheit, so eine Ruhe, die man nicht lesen kann. Sie kann auch Stille aushalten, ich selbst bin aber eher ein hibbeliger Typ. Tilda macht von außen betrachtet oft nichts, denkt aber extrem viel, ganz viel spielt sich in ihrem Innenleben ab. Ich hatte ein bisschen Angst, ob ich das so umsetzen kann; weil man nur durch Blicke und geringe Mimik ganz viel passieren und spüren lassen muss. Das fand ich schwierig, das war eine Herausforderung. Aber der wollte ich mich stellen.
Die Herausforderung für mich war, dass Tilda eine ganz stille Beobachterin ist
Luna Wedler
Wenn deine Besetzung erst drei Wochen vor Drehstart stand, nehme ich an, dass du aber schon wusstest, wer mit dir vor der Kamera stehen wird, oder?
Ich wusste, dass Jannis dabei ist.
Mit dem du ja auch schon „Je suis Karl“ gedreht hast.
Genau, das hat mich sehr gefreut. Wir sind seitdem gute Freunde, das heißt: Da war bereits eine Verbindung und Vertrautheit da, man konnte daher viel ausprobieren. Bei so einer Voraussetzung traut man sich viel mehr. Gerade wenn man eine Figur spielt wie Tilda, hilft es sehr, so eine Vertrautheit zu haben. Außerdem ist es immer schön, mit einem guten Freund zu arbeiten.
Zusammen im Schwimmbad

Deine wichtigste Partnerin im Film ist aber Zoë Baier, die damals zehn Jahre alt war. Wie war das mit Zoë?
Wir haben zur Vorbereitung zusammen einen Tag im Schwimmbad verbracht und uns von Anfang an sehr, sehr gut verstanden. Das ist so eine tolle junge Frau, die trotz der schwierigen Szenen eine Frische reinbringt. Wir sind während des Drehs zu einem richtig tollen Team geworden, und das hat insbesondere mit ihr sehr viel Spaß gemacht.
Drehs mit Kindern gelten ja stets als besonders anspruchsvoll.
Mag sein, aber Zoë ist echt professional! Die ist krass! (lacht)
Bei Büchern und Filmen ist es häufig so, dass die zu erzählende Geschichte dann beginnt, wenn eine große Veränderung einsetzt – beispielsweise der Umzug in eine andere Stadt. Was ich bei „22 Bahnen“ so toll finde, ist der Umstand, dass hier die auf den ersten Blick langweilig anmutende Geschichte des Davor erzählt wird – in der in Wirklichkeit natürlich ganz viel passiert. Ist so etwas daher schwieriger zu spielen?
Tilda musste sehr früh auf sich selbst, auf ihre Schwester sowie auf ihre Mutter aufpassen und hat sich darum eine Routine zugelegt, die ihr dann aus den Händen gleitet. Das ist diese Vorgeschichte, die hochkommt, weil sie die irgendwann nicht mehr runterdrücken kann. Das ist das Spannende für mich. Zumal dann eben die Chance auf die Verwirklichung eines Traums, auf ein neues, eigenes Leben aufkommt – und dann noch die Begegnung mit Victor. Da kommt plötzlich viel zusammen, was die Fassade bröckeln lässt, die sie sich über Jahre hinweg aufgebaut hat.
Sommerszenen im Kühlen
Du hast eben gesagt, dass dich am Projekt auch interessiert hat, dass es eine Schwesterngeschichte ist. Du selbst bist das mittlere von drei Geschwistern, bist also selbst große Schwester. Und mal davon ausgehend, dass du hoffentlich eine angenehmere Kindheit hattest als Tilda und Ida im Film: Hat dir dein Schwester-Sein beim Reinfinden in die Rolle geholfen?
Ja. Unter Geschwistern gibt es eine Verbindung, ein Verständnis und eine tiefe Liebe – und die zu empfinden hat fürs Reinfühlen in die Rolle definitiv geholfen. Und auch dieses Aufpassen wollen, das Übernehmen von Verantwortung, das kennt man als Schwester.
Du kommst aus Zürich und lebst auch noch dort. Caroline Wahl hat dort mal eine Zeit lang gearbeitet und auch „22 Bahnen“ dort geschrieben hat. Hatte dieser lustige Zufall irgendeinen Einfluss auf dich, deine Rolle und den Film?
Nein, aber Caro hat mir erzählt, dass ihr Zürich nicht so gefallen hat. Sie fand die Stadt ein bisschen spießig. Und klar, diese Ecken gibt es in Zürich – aber die sieht man nicht, wenn man mit mir unterwegs ist. (lacht)
Es gibt logischerweise eine ganze Reihe von Szenen im Schwimmbad, und ihr habt den Film im September gedreht. Stimmt es, dass es da vergleichsweise kalt war?
Es war arschkalt! Unsere Maskenbildnerin musste uns daher immer mit Wasser ansprühen, damit wir aussehen, als würden wir schwitzen, obwohl wir total gefroren haben mit blauen Lippen. Aber: Wir haben das Ganze trotzdem gemeistert!
Es ist immer wieder krass zu sehen, was Adrenalin mit einem macht
Luna Wedler
Wie war das beim Dreh, wenn man einerseits die „Temperatur“ seiner Figur halten, gleichzeitig aber gegen die Kälte ankämpfen muss?
Das ist schon schwierig. Man darf beim Take natürlich nicht zittern. Aber es ist immer wieder krass zu sehen, was Adrenalin mit einem macht: Sobald die Kamera lief, war das Zittern weg.
Luna Wedler: „Meine Herangehensweise an die Schauspielerei ist größer geworden“
Du bist 25, hast aber bereits eine zehnjährige Karriere hinter dir. Brennst du heute noch genauso für die Schauspielerei wie am Anfang?
Ja. Am Set bin ich immer noch wie ein kleines Kind, freue mich total und liebe einfach das Filmemachen. Ich find’s jedes Mal wieder faszinierend, wie so viele Menschen in ihrem jeweiligen Department dazu beitragen, dass am Ende so ein Puzzle entsteht, für das man jedes einzelne Teil braucht. Der Job erlaubt mir, jeden Tag zu lernen, in Geschichten zu springen, das ist einfach toll!
Was hat sich denn über die Jahre verändert?
Meine Herangehensweise an die Schauspielerei, aber auch mein Selbstvertrauen ist größer geworden. Ich bin keine technische Schauspielerin, sondern sehr intuitiv – und dieser Intuition vertraue ich heute deutlich mehr; auch dafür einzustehen. Und ich weiß viel besser, wie ich in eine Figur eintauche, aber auch, wie ich da wieder rauskomme. Das ist mir früher deutlich schwerer gefallen. Und natürlich wachse ich mit jeder Figur, weil ich aus jeder Rolle, aus jedem Film etwas mitnehme, was mir als Luna auch nach Drehschluss erhalten bleibt.