MARKK: Ethnologisches Forschen im Wandel der Zeit

Das „Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt“, kurz „MARKK“, beschäftigt sich seit jeher mit der Vielfalt menschlicher Lebensweisen und ist damit gleichzeitig untrennbar von den herrschenden gesellschaftspolitischen Umständen. Über das Museum und seinen Umgang mit dem kolonialen Erbe
©Paul Schimweg

Im Jahr 1840 existierte eine kleine, aber wachsende ethnografische Sammlung, die einige Jahre später unter dem Namen „Museum für Völkerkunde“ am Steintorplatz ihren festen Ort bekam. Das wachsende gesellschaftliche Interesse an der Erforschung „außereuropäischer Kulturen“ Mitte des 19. Jahrhunderts stand im Zeichen der anthropologischen Wissenschaft der Kolonialzeit, die bei der Erforschung fremder Kulturen und ihrer Menschen von einer hierarchischen Vorstellung von sogenannten „Naturvölkern“ hin zu „Kulturvölkern“ ausging. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein lag die Faszination und die Zurschaustellung des „Anderen“ dem Museum für Völkerkunde zugrunde und wurde durch geraubte Kunst aus kolonialen Verbrechen gestillt.

Neuer Name, neue Debatten

Prof. Abba Isa Tijani, Dr. Carsten Brosda, Prof. Barbara Plankensteiner, Osaisonor Godfrey Ekhator-Obogie und Dr. Martin Hoernes (v. l.) in der Ausstellung „Benin. Geraubte Geschichte“ (©Paul Schimweg/MARKK)

Wenn auch an anderem Ort und mit anderem Namen, existiert das Museum heute noch immer, weil es die Herausforderung angenommen hat, sich seiner eigenen Geschichte und der Frage nach der Aufgabe eines Völkerkundemuseums im 21. Jahrhunderts zu stellen.

Wie können ethnologische Themen im Zeitalter von Globalisierung und Migration adressiert werden? Wie kulturelle Vielfalt und Gemeinsamkeiten dargestellt werden? Und wie kann die Auseinandersetzung mit dem eigenen kolonialen Erbe gelingen? Diese und weitere Fragen stehen hinter dem noch jungen Namen „MARKK“. Die Ethnologin Barbara Plankensteiner, die 2017 die Leitung des Museums übernahm, hat mit der Namensänderung eine neue Phase der Umstrukturierung eingeläutet. Die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit gehört dazu.

Sie prägt nicht nur das Ausstellungsprogramm des MARKK, sondern spiegelt sich zum Teil auch auf außenpolitischer Ebene wieder: Mit der Ausstellung der Benin-Bronzen mit dem Titel „Benin. Geraubte Geschichte“ antwortete das MARKK 2021 auf die vorangegangenen Restitutionsdebatten, die schließlich zur – durchaus umstrittenen – Rückführung der Schätze nach Nigeria im vergangenen Jahr führten. Auch aktuelle Ausstellungen, wie die Sonderausstellung „Das Land spricht“, stehen im Zeichen des Perspektivwechsels: In der Ausstellung, die noch bis Februar 2024 zu erleben ist, verhandeln samische Künstler im Dialog mit historischen Beständen des MARKK die von kolonialer Unterdrückung geprägte Geschichte und die Gegenwart ihrer Kultur.

Das Museum am Rothenbaum versteht sich heute als reflexives und diskursives Forum rund um die Beleuchtung der eigenen Vergangenheit und lädt ein, sich den kulturellen Facetten des Menschen zu widmen. Erleben kann man das im Ausstellungsprogramm, wie auch beim kommenden interdisziplinären Kunstfestival „fluctoplasma“, an dem das MARKK erneut als Spielstätte teilnimmt.

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 10/2023 erschienen

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