„Aufregend, unvorhersehbar und sehr inspirierend – das fasst meine Zeit als Co-Betreiber ganz gut zusammen. Der Peak der Reeperbahn war meiner Ansicht nach in den ausklingenden 90er-Jahren bis Anfang der Zehnerjahre. Da konnte man die Straße und den Kiez wirklich das clubkulturelle Zentrum der Stadt nennen. Als wir das Moondoo 2008 eröffneten, war es unser Ansatz, subkulturelle und popkulturelle Elemente zu verbinden und das ist uns häufig auch gelungen.
Damals gestaltete man seine Freizeit ganz anders als heute. Clubkultur gehörte für viele fest dazu. Spätestens seit der Pandemie ist das anders: Unsere Philosophie, Subkultur für mehr Menschen zugänglich zu machen, mussten wir ein wenig umstellen, denn das Publikum bekam teilweise andere Vorstellungen. Es wurde ein größeres Risiko, eher unbekannte Künstlerinnen und Künstler einzuladen. Dann sagt der eher popkulturell interessierte Teil: ,Okay, kenne ich nicht. Warum soll ich da 15 Euro für ausgeben?‘ Leute können jeden Euro eben nur einmal ausgeben und wenn Drake in der Arena spielt, dann gehen sie dahin und haben weniger finanzielle Möglichkeiten, sich kleinere Clubkonzerte anzuschauen. Subkulturell haben wir heute eine dünne Situation auf der Meile erreicht. Dazu kommt, dass mit dieser auch ein bestimmtes Image einhergeht, das zuletzt gelitten hat.
Erschwerte Bedingungen für den Club Moondoo auf dem Kiez

Während früher Tourist:innen und Hamburger Szene zusammenkamen, hat sich die Straße in den letzten Jahren in eine touristische Partymeile verwandelt. Viele dieser Tourist:innen kommen heute nicht, um neue Musik zu entdecken, sondern um einfach mal ein, geiles Wochenende‘ auf der Reeperbahn zu erleben. Mittlerweile haben wir gefühlt um die 70 Kioske auf der Straße. Das sind teilweise halbe Supermärkte, was für Betreibende leichteres Geldverdienen bedeutet, als es das mit einem Club wäre. Da besteht ein Zusammenhang: Wenn etwas leer steht, kommt da im Zweifelsfall der 71. Kiosk rein und kein Club.
Besonders während der Corona-Pandemie war das ausschlaggebend, denn die Clubs waren zu, aber die Kioske offen. Menschen aus ganz Deutschland, die aufgrund der Reiserestriktionen nicht zum Ballermann fliegen konnten, sind nach Hamburg auf die Reeperbahn ausgewichen. Während wir im Shutdown aus dem geschlossenen Club unsere DJ-Sets gestreamt haben, musste die Polizei draußen die Straße räumen, weil es so voll war und viele Leute so betrunken waren, dass keine:r mehr auf die Abstandsregeln achtete. Auf einen großen Teil der Hamburger:innen wirkte das abschreckend, sie mieden die Straße. Mir ging es selbst auch so: Während der Corona-Jahre habe ich mal geträumt, dass ich über den Kiez gelaufen bin und das Moondoo nicht gefunden habe.
Als Kulturzweig wurden wir eben zwei Jahre lang stillgelegt und wussten nicht, ob oder wie es weitergeht. Ehemalige Clubbesuchende und auch potenziell neue Gäste fingen an, sich mit anderen Sachen zu beschäftigen und das waren zu der Zeit die digitalen Medien. Gewohnheiten entwickelten sich anders in einer Generation, die wichtig für Clubkultur gewesen wäre. Nur weil die Clubs wieder da sind, kommt diese Generation ja nicht automatisch zurück. Da hatten wir den Tiefpunkt erreicht.
Moondoo macht für das Molotow Platz
Aber Clubkultur muss bunt und vielseitig bleiben – das zu erhalten, war mir schon früher, als ich musikjournalistisch gearbeitet habe, wichtig. Deswegen hat mich das Schicksal des Molotows sehr berührt. Das Interesse an dem, was links und rechts neben mir passiert, war immer groß. Mein Gedanke beim Molotow war: Das darf nicht sein, das Molotow muss auf der Reeperbahn bleiben. Aber galt das auch für uns, musste das Moondoo auf der Reeperbahn bleiben? In Diskussion mit meinen vier Partnern kamen wir zu folgender Antwort: Wir können bleiben, aber müssen tun wir es nicht. Vielleicht ist es auch an der Zeit, die Reeperbahn zu verlassen.
Als wir uns schließlich für eine Übergabe unserer Räume ans Molotow entschlossen haben, fühlte ich eine diffuse Mischung aus Wehmut und Erleichterung. Auf der einen Seite geht da ein Lebensabschnitt zu Ende, auf der anderen Seite fiel der gesamte Druck der letzten Jahre von mir ab. Vermissen werde ich trotzdem viel: Künstlerinnen und Künstler, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt ihrer Karriere zu uns kamen und teilweise wieder und wieder da waren. Auch wenn man sich nur einmal im Jahr für ein paar Stunden sah, das waren sehr intensive Momente.

Dieses Protokoll ist zuerst in SZENE HAMBURG 03/2025 erschienen.