MS Stubnitz: Das Kulturschiff muss ins Dock

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Das Kulturschiff MS Stubnitz muss ins Dock und unter hohen Kosten wieder flott gemacht werden – dabei können Paten einen großen Beitrag leisten. Ein Interview mit Urs „Blo“ Blaser, der das Projekt Stubnitz vor 27 Jahren anstieß

Text & Interview: Jan Paersch
Foto (o.): Phalque

Hinten, in der Ecke eines dunklen Ganges, hängt die „Crew List“ der MS Stubnitz. Darauf: ein gewisser „Blaser, Urs“. Dahinter das Kürzel „Rat/eng wk“. Es steht für den „rating engine watch keeper“. Urs Blaser mag Querflöte und Saxofon studiert haben, doch er ist auch ein hochseetauglicher Seemann, der befähigt ist, an Bord des Schiffes die Maschinenwache zu übernehmen. Der Schweizer ist Geschäftsführer und Tontechniker des denkmalgeschützten Kulturortes.

Wer auf abseitigere Konzerte, aber auch auf trippige Electro-Sets steht, kennt die MS Stubnitz. Unten im Laderaum spielten schon Rammstein, Marteria und Feine Sahne Fischfilet – als Newcomer. Das Schiff, am 1. Juni 1964 in Stralsund vom Stapel gelaufen, gehörte zur Hochsee-Fischfangflotte der DDR, ehe es 1992 von einer Gruppe von Künstlern übernommen wurde. Seit 2014 hat die Stubnitz ihren festen Liegeplatz in der Hamburger HafenCity. Im hinteren Teil des 80 Meter langen ehemaligen Kühlschiffes, dort, wo früher die Heringe lagerten, ist Platz für Konzerte, vorne finden zumeist DJ-Sets statt.

Im letzten Jahr spielten hier 340 Live-Acts aus Dutzenden Ländern. Doch die kulturelle Vielfalt ist bedroht: im Juli muss die Stubnitz ins Dock, um die sogenannte Klassenerneuerung vorzunehmen, die den Betrieb für die nächsten fünf Jahre sichert. Das Geld dafür kommt nur zum Teil von öffentlichen Geldgebern. Die Stubnitz sucht nun Paten, um gegenüber den öffentlichen Förderern zu zeigen, dass eine Öffentlichkeit hinter dem technischen Denkmal und dessen Nutzung steht. Für jeden Euro eines Spenders werden aus den Töpfen des Denkmalschutzes sieben bewegt – so werden aus jedem Patenschafts-Euro acht.

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Urs Blaser, genannt „Blo“, leitet seit 1994 die Stubnitz. Der 1960 in Bern geborene strahlt die Gelassenheit eines erfahrenen Seemanns aus. An diesem sonnigen Freitagnachmittag herrscht auf dem Schiff schon reges Treiben, später wird dort eine griechische Stoner-Rock-Band auftreten, während im Bug-Raum zwei Jungs ihren 18. Geburtstag feiern. Das Interview findet bei Filterkaffee in der alten Offiziersmesse statt. An der Wand hängt, gerahmt hinter Glas, die damalige Sitzordnung.

SZENE HAMBURG: „Blo“, bevor es die Stubnitz gab, warst du Teil des Medienkunst-Projekts „Radio Subcom“ und fuhrst quer durch Europa.

Urs „Blo“ Blaser: Wir waren ein mobiles Kollektiv und sind mit Lkws voller Equipment herumgefahren. Wir haben offen stehende Industrieräume annektiert, denn wir brauchten Platz. Für die optimale Akustik braucht man mindestens vier Meter Höhe und 200 Quadratmeter Grundfläche. Wir hatten Veranstaltungen mit 50 Leuten, dann 100 Leuten, dann 400 Leuten – und dann kam die Polizei. Wir haben überall gespielt, bis wir verjagt wurden, so in London, Wien und im Ruhrpott.

Du hast ja Saxofon und Querflöte studiert. Verstehst du dich als Musiker?

Ich war Musiker, und bin dann mehr und mehr in die Elektroakustik abgedriftet. Irgendwann habe ich begriffen, dass für mich die Lautsprecher die Instrumente sind. Also habe ich für die komponiert. Ich war immer mit zwei Tonnen Lautsprechern unterwegs. Aber auf Dauer war es ermüdend, ich war Lkw-Chauffeur, Roadie und Bühnenbauer in Personalunion. Ein festes Set-up kam uns also entgegen.

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Die Stubnitz habt ihr 1992 von der Treuhand übernommen, die die Hochsee-Fischfangflotte der ehemaligen DDR auflöste.

Das Schiff wurde ja ausgemustert, es hatte keinen wirtschaftlichen Wert mehr. Es war damals schon 25 Jahre alt. Das war eine coole Zeit damals, es herrschte richtig Aufbruchsstimmung in den neuen Bundesländern. Schon damals war die Idee, einen mobilen Kulturort zu haben, mit Heimathafen Rostock, in die verschiedenen Regionen Europas fahren und dort Kooperationen aufbauen. Die allererste Anlaufstation war St. Petersburg. Die sind richtig darauf abgefahren, zumal es in der Stadt nicht viele Szeneclubs gab.

Aber finanziell war es nie leicht, oder? Ihr arbeitet zum Teil mit Ehrenamtlichen.

Als kommerzieller Veranstaltungsraum ist die Stubnitz zu klein, als Schiff, das es zu erhalten gilt, ist es zu groß. Das ist ein schwieriger Kompromiss. Wenn wir alle Räume gleichzeitig bespielen, können wir 700 Leute indoor an Bord holen, aber für eine Veranstaltung ist die Obergrenze 400 Personen. Das reicht kaum zum Überleben. In Rostock haben wir 1998 mit Ach und Krach eine Projektförderung durchgesetzt. Die Förderung, circa 80.000 Euro, ist aber 15 Jahre gleich geblieben, während unsere laufenden Kosten gestiegen sind. Wir sind also oft mit hohen Verbindlichkeiten in den skandinavischen Raum gefahren, weil es dort wirtschaftlich am besten lief.

Und nun muss die Stubnitz wieder ins Dock.

Ja, für zehn bis 14 Tage. Man macht dort nur so viel wie nötig, denn die Zeit ist teuer. Das kann uns über 200.000 Euro kosten, die wir aus Bundes-, Landes- und Eigenmitteln bestreiten müssen. Die Konservierung vom Unterwasserschiff und die Überholung der großen Aggregate, Ruder und Propeller, sind die größten Posten. Wir haben noch die Zulassung als Seeschiff.

Die MS Stubnitz: Zeugin der Zeit

Wäre ein dauerhafter Liegeplatz nicht günstiger, ohne die Möglichkeit zu fahren?

Ich halte den Funktionserhalt des technischen Denkmals für wichtig. Wenn wir den Status als Seeschiff aufgeben, brauchen wir eine baurechtliche Genehmigung. Dann müssten wir die Türen umbauen, und auch die Stolperkanten, die auf See Sinn machen. Dann würde das Schiff aber auch an Authentizität verlieren. Es gibt Denkmalschiffe, die von außen die Silhouette haben, aber innen ist es auswechselbar.

Was macht die Stubnitz so besonders?

Sie ist eines der wenigen noch erhaltenen Schiffe mit einer überragenden Aussagekraft. Als Zeitzeugin erzählt sie von deutscher Schiffbauleistung und von der großen Hochseefischerei. Und natürlich hat es mittlerweile eine Historie als Ort der tausend Subkulturen. Als Spielstätte hat sie die richtige Größe, und auch die Flexibilität, diese Genres abzubilden. Und einen richtig guten Konzertsaal. Für mich hat der Laderaum 4 die ultimative Akustik.

Deshalb muss die Stubnitz erhalten bleiben?

Es geht um das Schiff, aber auch um die Musik. Solange aus der ganzen Welt spannende Bands hierherkommen, wäre es schade, aufzugeben. Künstler, die nicht von der Wirtschaft vermarktet werden, spielen gerne bei uns. Sie können an Bord übernachten und bekommen eine warme Mahlzeit. Schließlich wird in Deutschland fast nur die Musikkultur gefördert, die schon lange Vergangenheit ist. Das musikalische Erbe wird gepflegt – aber die aktuelle Musik wird dem Kommerz überlassen.

MS Stubnitz.com


Szene-Hamburg-juni-2019 Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Juni 2019. Das Magazin ist seit dem 25. Mai 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich! 


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