Treffen mit dem Bündnis gegen Rechts
Zwei Tage später treffe ich Cornelia Kerth und Ernst Krefft vom „Hamburger Bündnis gegen Rechts“, den Mitinitiatoren der Gegendemos. Seit 2002 engagieren sich die beiden ehrenamtlich für das Bündnis, das im Verfassungsschutzbericht vor einigen Jahren als „linksextremistisch beeinflusst“ eingestuft wurde. Kerth und Krefft erwähnen diese Info gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Ihnen ist wichtig, sich zu rechtfertigen. Das Bündnis sei eine Versammlung verschiedener Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen. Deshalb könne man es nicht einfach per se als linksextremistisch abstempeln. Sie organisierten mit dem Bündnis zahlreiche Demonstrationen gegen Thor-Steinar-Geschäfte und rechtsextreme Parteien wie die NPD. Politisch sozialisiert wurden sie früh. Sie durch die Proteste gegen den Vietnamkrieg, er als Kritiker rechter Burschenschaften und Hassfigur für Rechte.
Als sie von den Merkel-muss-weg-Demos zum ersten Mal hörten, sei ihnen sofort klar gewesen, dass es sich um eine rechtspopulistische Veranstaltung handeln muss. Nicht, dass Kritik an Merkel unangebracht sei, doch der Slogan sei durch die Pegida-Veranstaltungen rechts konnotiert. Cornelia Kerth sei kein Merkel-Fan, betont sie. Sie hätte viel an ihr zu kritisieren: die Militarisierung, die Waffenlieferungen, die schlechte Sozialpolitik. Die „mutige Entscheidung im September 2015“, all jene Menschen aufzunehmen, „die de facto gestrandet waren“, ringe ihr aber durchaus Respekt ab.
Die weltweiten Fluchtbewegungen und den darauf reagierenden Aufschwung rechtspopulistischer Strömungen beobachten die beiden mit Unmut. Die Rechtstendenz der letzten Jahre hänge seiner Meinung nach auch mit der sozialen Verunsicherung zusammen, die als Resultat der rot-grünen Agenda-Politik der 2000er Jahre nun bis in die Mittelschicht reicht. „Die Leute treten dann einfach nach unten“, sagt er in Bezug auf die wachsende Ausländerfeindlichkeit. Von dem Vorhaben mancher Linker, all jene sozial Verunsicherten zurückzugewinnen, die vorher links gewählt haben, halten die beiden nichts. „Das sagen diejenigen, die glauben, dass dem Rechtsruck alleine mit sozialen Themen entgegengewirkt werden könne“, findet Kerth. Auch hält sie wenig davon, mit Rechten zu diskutieren und die eigenen Standpunkte argumentativ zu verteidigen, anstatt die anderen aus dem Diskurs zu verbannen. Sie befürchtet eine Normalisierung rechten Denkens: „So werden Hemmschwellen Stück für Stück abgebaut.“
Wir reden über Deutschland und die Welt, aber wie sieht es eigentlich speziell hier in Hamburg aus? „In Hamburg konnte das rechte Denken nicht so stark Fuß fassen“, sagt Krefft. Die vergleichsweise niedrigen Wählerstimmen für die AfD belegten das. Allerdings habe die rechtskonservative Schill-Partei in den 2000er Jahren gezeigt, dass es auch in Hamburg einen rechten Bodensatz gebe, der jederzeit aufflammen könnte.
Die Merkel-muss-weg-Demonstranten sehen sich nicht als Rassisten. Sie greifen linke Themen auf und lassen Dunkelhäutige und Transsexuelle Reden halten. Für die beiden Anti-Rechten ist all das nur Augenwischerei. Erstens sei offensichtlich, dass die AfD eine unternehmerfreundliche und nicht eine arbeiterfreundliche Partei sei. „Und nur, weil Dunkelhäutige Diskriminierung erfahren, heißt das nicht, dass sie nicht auch reaktionär sein können“, sagt Kerth. Und außerdem: „Viele Nazis in Führungspositionen waren homosexuell. Trotzdem wurden Homosexuelle im Dritten Reich ermordet.“ Was sie über Serge Menga zu sagen haben? „Er hat einmal ironisch über sich selbst gesagt, er sei ein ‚Quotenneger‘. Das ist tatsächlich seine Rolle. Wenn die ihn nicht mehr brauchen, sägen sie ihn ab“, ergänzt Krefft. Die Demonstranten kritisieren das reaktionäre Gedankengut, das teilweise im Islam steckt. Ja, konservative Muslime seien näher an den deutschen Rechten, als viele glauben, so Kerth. Ihr geht es grundsätzlich gegen reaktionäre und diskriminierende Tendenzen.
Wo ist die Grenze zwischen legitimem Konservatismus und Rechtsextremismus? „Dort, wo der erste Paragraph im Grundgesetz gebrochen wird: Die Würde des Menschen ist unantastbar“, sagen beide. Ein Politiker wie Horst Seehofer sei mit seinen Aussagen über Heimat und den Islam schon in einer Grauzone, weil er Muslime generell ausgrenze. Ich sage ihr, dass sie fast ein bisschen verzweifelt oder flehend wirkt in ihrer bestimmten Art, ihre Standpunkte zu verdeutlichen. Kerth lacht strahlend. „Verzweifelt bin ich nicht. Aber ich finde die Entwicklungen natürlich beunruhigend“, sagt sie.
Was sie und Krefft von den Übergriffen auf Ogilvies Haus und auf den 37-Jährigen halten? Die beiden schauen sich an, zucken etwas ratlos mit den Achseln und überlegen einen Augenblick. „Sagen wir’s mal so“, setzt Kerth an: „Diese Form von Protest hilft uns nicht weiter.“
Das Misstrauen ist groß. Krefft glaubt nicht, dass Ogilvie alleine hinter der Gründung der Demos steht und diese spontan entstanden sei. Es gäbe Hinweise, dass sie schon länger mit der Türsteherszene in Kontakt steht, sagt er, außerdem bemängelt er ihre Äußerungen in Interviews und auf Facebook als rechtspopulistisch. „Dann sehen Sie es wohl kritisch, dass ich Frau Ogilvie überhaupt zu Wort kommen lasse“, sage ich zum Abschied. Cornelia Kerth lächelt und zuckt mit den Schultern: „Wir sind gespannt, was dabei herauskommt“, sagt sie. Ähnliches äußerte Uta Ogilvie während unseres Treffens. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Gegenseite vernünftige Argumente hat.
Text: Ulrich Thiele
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Mai 2018. Das Magazin ist seit dem 28. April 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!
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