Res Nullius e. V.: „Techno ist Kultur“

Kürzlich ging auf Instagram ein Video viral, das der Hamburger Technoszene den Spiegel vorhält: zu viel Kommerz, zu wenig Gemeinschaft. Über 50.000 Aufrufe in wenigen Tagen zeigen das große Interesse. Hinter dem Clip steckt der frisch gegründete Verein Res Nullius e. V. Über die Idee dahinter, neue Freiräume und Techno als Lebensgefühl sprechen die Vorstandsmitglieder Jana, Niki und Alex
Auf dem Bild nebeneinander an einer Hauswand gelehnt stehen die drei Gründer:innen des Vereins.
Die Vorstandsmitglieder Niki, Jana und Alex (v. l.) von Res Nullius e. V.  (© sng.pictures)

SZENE HAMBURG: Niki, was genau ist Res Nullius e. V.?

Niklas Weitendorf: Res Nullius e. V. ist ein gemeinnütziger Kunst- und Kulturverein aus Hamburg mit der Mission, die Rave- und Technokultur in Hamburg zu bewahren und positiv zu gestalten. Für uns ist Techno mehr als Musik, es ist ein kulturelles Erbe, ein Lebensgefühl und ein Raum für Selbstverwirklichung. Wir wollen dafür sorgen, dass diese Kultur auch in Zukunft frei, unkommerziell und gemeinschaftlich erlebt werden kann.

Res Nullius heißt wörtlich „Niemandes Sache“. Für uns bedeutet das: Techno gehört niemandem allein

Jana Broszinksi

Nicht alle Ravenden hatten Latein in der Schule. Was bedeutet Res Nullius genau?

Jana Broszinksi: Res Nullius heißt wörtlich „Niemandes Sache“. Für uns bedeutet das: Techno gehört niemandem allein, sondern allen gemeinsam. Uns ist wichtig, dass es nicht darum geht, möglichst viel Profit herauszuschlagen, sondern dass jede:r die Möglichkeit hat, etwas beizutragen und die Kultur mitzugestalten. Am Ende lebt die Szene davon, dass wir sie zusammen tragen und gestalten. Für uns ist Res Nullius vor allem eine Haltung. Techno soll nicht exklusiv sein, sondern etwas, das wir alle leben. Jede:r, der Bock hat, kann mitmachen und Teil davon werden.

Wer steht hinter dem Verein?

Niki: Im Vorstand sind wir zu dritt. Alex, Controller und Festival-Veranstalter, Jana, unsere Schatzmeisterin mit Finanzhintergrund und ich, Wirtschaftspsychologe und DJ. Unterstützt werden wir von aktuell rund 20 Gründungsmitgliedern, die alle schon lange in der Szene unterwegs sind und richtig mit anpacken. Uns alle verbindet, dass wir mit dem Status quo nicht zufrieden sind und die Szene in Hamburg aktiv mitgestalten wollen.

Klubkultur: Früher Safe Space, heute Ego-Show auf der Tanzfläche

Was genau stört euch?

Alexander Eiben: Das sind mehrere Faktoren. Das anhaltende Clubsterben und die steigenden Kosten erschweren es, unbeschwert Techno feiern zu gehen. Gleichzeitig hat Social Media aber auch Investor:innen und einige Veranstalter:innen den Techno stark kommerzialisiert. Was früher ein mystischer „Safer Space“ war, ist heute oft ein Ort, an dem das Ego auf der Tanzfläche zu präsent ist.

Jana: Hinzu kommt die Corona-Pandemie, die die Szene nachhaltig verändert hat, mit weniger Offenheit, weniger spontanen Begegnungen und mehr Abschottung. All das hat dazu geführt, dass sich viele Menschen nicht mehr wirklich frei fühlen, wenn sie feiern gehen.

Dieses Wirgefühl, das Techno früher so besonders gemacht hat, fehlt an vielen Stellen, und genau da wollen wir ansetzen.

Alexander Eiben

Wie kam es dann zur Vereinsgründung?

Niki: Die Idee entstand bei einem kleinen Techno-Festival in Braunschweig. Dort haben wir uns über die Fusion und ihre unkommerzielle Form unterhalten. Dabei haben wir festgestellt, dass Hamburg solche Formate noch viel stärker braucht. Wir wollten einen Gegenentwurf zum aktuellen Status quo schaffen, in dem Clubsterben, steigende Betriebskosten und ein anderes Ausgehverhalten nach der Corona-Pandemie die Szene prägen. Unser Ziel ist es, Techno stärker als Community-Erlebnis zurückzubringen.

Was ist an diesem Erlebnis verloren gegangen?

Alex: Viele von uns sind schon seit über zehn Jahren in der Szene unterwegs und haben die Veränderungen deutlich mitbekommen. Früher kam man leichter ins Gespräch, es gab ungeschriebene Regeln, keine Kameras, wenig Eigeninszenierung, einfach gemeinsam tanzen. Heute wirkt das oft anders, mit mehr Selbstdarstellung und weniger Miteinander. Dieses Wirgefühl, das Techno früher so besonders gemacht hat, fehlt an vielen Stellen, und genau da wollen wir ansetzen.

Initiativ-Projekt stößt direkt auf Zuspruch

Innerhalb weniger Tage gab es großen Zuspruch für euch. Wie erklärt ihr euch das?

Jana: Es zeigt uns, dass wir nicht alleine mit unserer Wahrnehmung sind. Viele Menschen spüren, dass es ein reales Problem gibt, zum Beispiel Spaltung, Kommerzialisierung und weniger „Safer Spaces“. Dass wir so schnell Zuspruch bekommen haben, werten wir als Call to Action.

Niki: Jetzt geht es für uns darum, diese Energie in Strukturen zu übersetzen, also Mitgliedsanfragen zu bearbeiten, erste Versammlungen abzuhalten, Prozesse aufzusetzen und neue Veranstaltungen zu planen.

Ihr habt bislang auf Instagram auf euch aufmerksam gemacht. Bleibt das so?

Niki: Instagram war erst mal unser Startpunkt, um überhaupt sichtbar zu werden. Aber für uns ist das nur der Anfang. Am wichtigsten ist, dass wir uns auch offline begegnen. Zum Beispiel mit Awareness-Workshops, einem Podcast, Austauschrunden oder Veranstaltungen. Am Ende geht’s für uns immer um die Frage: Wie können wir die Kultur bewahren und gleichzeitig neue, frische Wege gehen?

Die Vision: Community statt große Headliner

Ihr wollt neue Räume schaffen – „ohne (DJ-)Starkult und Kommerz“, schreibt ihr. Wie geht man so etwas an?

Alex: Bei uns geht’s mehr um Community als um große Headliner. Statt immer viel Geld für bekannte DJs auszugeben, wollen wir lieber gezielt Newcomer fördern und die Kosten gemeinsam mit der Community stemmen. Dafür stellen wir uns zum Beispiel einen Community-Dienst vor. So bleiben unsere Veranstaltungen bezahlbar und fair. Am Ende zählt für uns nicht das Line-up, sondern die Atmosphäre und das Miteinander.

Was ist mit bereits bestehenden Räumen wie Gängeviertel, Südpol, Slot, Golden Pudel?

Jana: Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern ganz klar als Ergänzung. Hamburg hat großartige Orte, die wir sehr schätzen und die wir auch nicht ersetzen oder kritisieren wollen. Gleichzeitig ist das Angebot seit Corona spürbar kleiner geworden und reicht einfach nicht mehr aus. Wir wünschen uns, uns dabei mit den bestehenden Initiativen zu vernetzen.

Techno ist Kultur, ein Teil künstlerischer Auslebung und für viele Menschen elementar

Niklas Weitendorf

Über fehlende Freiflächen für subkulturelle Kulturveranstaltungen haben wir schon häufiger in der SZENE HAMBURG berichtet. Welche Entwicklung seht ihr da?

Niki: Leider eher eine negative. Viele Flächen sind verschwunden, neue entstehen kaum. Behörden zeigen bisher wenig Interesse, Zwischennutzungen sind schwer durchzusetzen. In Berlin ist Techno Weltkulturerbe und wir wünschen uns auch für Hamburg ein Umdenken, für Kulturveranstaltungen aller Art. Techno ist Kultur, ein Teil künstlerischer Auslebung und für viele Menschen elementar.

Was müsste sich ändern?

Alex: Die Stadt müsste Techno und Subkultur aktiv schützen und fördern. Flächen sichern, Zwischennutzungen erleichtern, Förderungen zugänglich machen. Wichtig ist vor allem die Anerkennung, dass Techno und künstlerische Freiheit kein Luxus sind, sondern ein kultureller Grundbaustein einer lebendigen Stadt.

Res Nullius e. V.: Gemeinsam für Hamburgs Klubkultur

Wie genau kann man bei euch mitmachen?

Niki: Bewerben kann sich bei uns grundsätzlich jede:r. Als private Nachricht bei Insta oder unserer Website. Dabei gibt es die Möglichkeit, zwischen einer ordentlichen Mitgliedschaft oder einer Fördermitgliedschaft zu wählen. Von ordentlichen Mitgliedern wünschen wir uns, dass sie sich einbringen, zum Beispiel bei Veranstaltungen, Workshops oder in anderen Projekten. Dafür erhalten sie auch Benefits, etwa bei Events oder vereinsinternen Angeboten.

Jana: Wer weniger Zeit hat, kann Fördermitglied werden. Das bedeutet, man unterstützt den Verein mit einem kleinen Jahresbeitrag, kann an verschiedenen Angeboten teilnehmen, muss sich aber nicht aktiv beteiligen. Wichtig ist uns, dass die Passung stimmt. Deshalb gibt es bei ordentlichen Mitgliedern eine Probezeit, in der beide Seiten schauen können, ob es passt.

Habt ihr bereits Vereinsräume?

Alex: Noch haben wir keine eigenen Räume und treffen uns in privaten Wohnungen. Ab 2026 möchten wir jedoch ein Studio oder feste Vereinsräume anmieten. Dort sollen Vereinsarbeit, Workshops, Awareness-Formate, kleinere Veranstaltungen und Raum für Austausch stattfinden.

Wir stehen noch am Anfang, aber die Energie ist da und wir haben richtig Lust, gemeinsam etwas zu bewegen

Niklas Weitendorf
Erst mal nur mit Einladung: der Start von Res Nullius e.V. (©sng.pictures)

Welche ersten Veranstaltungen plant ihr?

Jana: Ende August haben wir unsere Launch-Party im kleinen Kreis mit Mitgliedern, Freundinnen und Familie gefeiert. Das war für uns ein Testlauf, um Abläufe auszuprobieren. Ende des Jahres soll dann die nächste Veranstaltung folgen, diesmal offen und größer.

Niki: Parallel dazu bauen wir unsere Vereinsstrukturen auf, mit regelmäßigen Treffen, Arbeitsgruppen, Awareness-Schulungen und ersten Kooperationen mit anderen Orten. Wir stehen noch am Anfang, aber die Energie ist da und wir haben richtig Lust, gemeinsam etwas zu bewegen.

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